Sonntag, 8. Juli 2012

Werner Stoff: Jets over Vienna 23.06.2012

Beim zweiten Versuch und nach einem gefühlvollen Tritt auf die Bremsen bei 180 km/h klappte es endlich. Das Heckteil ruckte hoch, das Höhenruder wurde nun angeströmt und mit  heulenden Triebwerken zog sie rasch nach oben. Sekunden später kreiste die silbern färbige Schönheit  elegant  über dem Platz.
Es war zwar nicht der erste Flug einer strahlenbetriebenen Maschine aber jener denkwürdige Tag, der 18. Juli 1942, war ein gewaltiger Sprung in der Ära der Geschichte der Luftfahrt. Die Me 262-V3, damals geflogen vom Testpiloten Fritz Wendel auf dem Flugplatz Lechfeld in Nähe Augsburg, war nach weiteren Erprobungsflügen und Umbauten einer der ersten Düsenjets; zukunftsweisend und  Vorbild für nachfolgende Generationen von strahlenbetriebenen Flugzeugen.


Trostloser Vormittag auf dem Flugfeld mit Klubgebäude des MFC-FALKE           

So in Gedanken und knappe 70 Jahre später, am Samstag den 23. Juni 2012, schlenderte ich  - ausnahmsweise ohne Göttergattin - nach über zweistündiger Fahrzeit  vom Parkplatz einige Meter zur Landebahn mit Klubhaus des MFC–FALKE WIEN, dem Veranstalter des  Treffens ‚Jets over Vienna’.  Als E-Modellfluganfänger und hartnäckiger Alleinflieger hatte ich von Jets der letzten Generationen -  schon gar nicht beim Modellflug – so gut wie keinen Schimmer.  Lohnte sich mein Aufwand? Zweifel und Neugierde hielten sich noch in der Waage.  

Nach und nach kamen  Piloten zu den gekennzeichneten Plätzen am Pistenrand, luden ihre Jets, div. Zubehör und  beachtliche Mengen Kerosin aus. Franz D., Obmann des MFC-FALKE,  instruierte die versammelten Piloten und wünschte Holm- und Rippenbruch. Die angekündigte Wetterbesserung trat ein und dann ging es los. Ruderchecks, Turbinen wurden zur Probe gestartet und etwas hochgefahren. Der vorerst fein wahrgenommene Kerosingeruch intensivierte sich.  

Bis auf wenige Ausnahmen wurde einzeln in Richtung Nordwest gestartet, diverse Manöver unter Einhaltung der Richtlinien geflogen und in Startrichtung wieder gelandet.

Der Chefflugkoordinator Peter F.  hatte es manchmal nicht leicht;  zwar scherzhaft aber dennoch bestimmend und herumgestikulierend zu einem Piloten: „Für dich noch einmal. Zuerst er, dann der, dann er und dann vielleicht du…“ Zustimmendes Gelächter von anderen Teilnehmern.  

Starts, Flüge, teils mit weit über 200 km/h, knapp über der Piste auch im Rückenflug.
Die Dinger waren so sauschnell,  sodass ich kaum vernünftige Fotos schießen konnte.
Aus zwei mach eine – DG600 mit Düse
Vipers, Aero L39, F5, MIG 15, MIG29, Macchini, Eurofighter, Rafale, eine Blohm & Voss BV AE.607, etc., zwei DG600, interessant, umgebaut zu einer mit Doppelrumpf und auf der Verbindungsfläche natürlich eine Düse. Der Erbauer und Pilot dieser abgefeimten Konstruktion,  mit nun über 5 Meter Spannweite, auf meine Frage: „Weißt, die zwei Segler sind jahrelang verstaut gewesen. Ich bin noch ein Bastler vom alten Schlag. Da gibt`s ja einige Piloten, die lassen ihre Geräte zusammenbauen. Naja, sie haben auch  ihren Spaß dran.  Siehst, aus meinen zwei alten Fliegern  habe ich nun einen gemacht. Die beiden Bugräder habe ich natürlich lenkbar machen müssen. Ich mache nachher ein paar Schweberl mit der Düse.“ Das Ding flog natürlich und wie.

„ … ich habe schon geglaubt, ich kann nicht mehr fliegen. Trimmen, trimmen und….“, wehklagte ein Viper-Pilot. Die linke Klappe war im Flug auf gut 30 Grad ausgefahren und hängengeblieben.
Am Boden wurde die Viper geschüttelt und an der Fläche geklopft. Stur blieb die linke Klappe in der fatalen, ausgefahrenen, Position. Der Kontaktfehler,  oder was es auch war,  konnte behoben werden. Die Viper wurde einige Zeit später wieder anstandslos geflogen.
Die BV AE.607 beim schnellen Überflug                                  
Die Blohm & Voss BV AE.607 wurde für einen ‚Oldtimer’ mit mörderische Geschwindigkeit geflogen.  Bei einer Landung klappte das Bugrad um. Nur ein paar Schrammen und Applaus für den Piloten. Einige Zeit später war die Blohm & Voss wieder in der Luft. Das Foto von mir war ein Glückstreffer.  

                            




Obmann Franz war unentwegt unterwegs. Grillen für Piloten und Gäste, weitere Begrüßungen, diverse Anliegen usw., da braucht man auch Nerven.  
Außergewöhnlich Peter F. beim Tauchen
Zwischendurch gönnte ich mir auch Grillwürstchen und ein kaltes Bier. Nanu, kein Geheul eines Jets? Ich schluckte den Rest des Würstchens hastig mit einem kräftigen Schluck runter und stand wieder am Pistenrand. Kein Jet oder sonst was in der Luft. Da war, mir blieb die Spucke weg, Superman zirka 40 Meter über den Boden. Nein, es war nicht Superman, es schaute aus wie ein Taucher im falschen Element. Chefflugkoordinator Peter F. hat kraft seiner Befugnisse die Jets und alle anderen Fluggeräte mit einem Startverbot belegt und sich selbst ein Auszeit zum Fliegen – oder Schwimmen? – dieses außergewöhnlichen Gerätes gegönnt. Ein raffiniertes Zusammenspiel von E-Antriebsmotor, An- und Umlenkungen aller Art. Alle Achtung Peter.
Bei einer anderen Verschnaufpause streifte ein anderer Pilot mit einem Glas in der Hand unabsichtlich die Fläche der aufgebockten Hornet. Alois T.  zum Kollegen: „Pass doch auf. Du tuast mein Fliega weh.“

Zwischen den Pausen der Jets zeigten Hubschrauberpiloten ihr Können, eine Pilatus Porter schleppte nach Einweisung des Koordinators einen größeren Segler  irgendwo in eine luftraummäßige Wüste.  Das Teil konnte ich erst wieder bei der Landung und einer weiteren Jetpause erblicken. Ein Junge  – infiziert von der Geschwindigkeit – flog mit seiner Voodoo  atemberaubende Auf- und Abwärtspassagen. Auch ‚ältere Hasen’ goutierten die Knüppelfertigkeit des jungen Mannes.

Zwei Piloten starteten - etwas voneinander abgesetzt natürlich – ihre F5. Oben eine Trennung nach links und rechts und dann wieder eine scheinbare ‚Verschmelzung’ und mit vollem Zeug im Tiefflug über die Piste. Eine überholte hierbei die andere mit erheblichem Geschwindigkeitsunterschied. Nachher einer der Piloten zu mir: „Ist ein anderes Profil.“ Ja, und wahrscheinlich auch eine andere Düse, dachte ich halt. 

Der Eurofighter Typhoon in Aktion

Der Pilot der Eurofighter war natürlich auch ein Experte. Die Rauchspur bei diversen Manövern war schlichtweg ein Traum.  Was war das, der Fighter trudelte flach ab. „Hat ne Vektordüse, da kann man Einiges machen“, raunte mir ein pausierender Pilot zu. Tatsächlich, Fahrt aufnehmend, weitere Manöver und sichere Landung.

„Pahl, schreibt man mit hartem P“, korrigierte mich Billie sanft. Billie, ein Pfundskerl, ein super Pilot und seine kurz gehaltenen, gefühlvollen,  Landungen waren immer wieder Augenweiden. Billie war mit einer Rafale und einer  MIG15 beim Jettreffen angerückt.
Billie hatte es drauf – seine Rafale bei Landung
Billie erteilte mir bereitwillig Auskunft über die Daten seiner Rafale, „… die Düse macht so an die 17 kg Schub, 13,5 kg Leergewicht und der Tank hat 6 Liter, nein, Kerosin ist ja leichter wie Wasser,  wenn voll, um die 18-19 kg ….“. Gleich darauf diskutierte Billie mit einem anderen Piloten über seine MIG15.                                                                      

Bei der Heimfahrt war ich nicht müde. Ich war zu aufgewühlt, schlichtete meine Gedanken und Eindrücke. Mein anfänglichen Zweifel waren schon nach den erstens Jetstarts ‚weggeblasen’. Ja es hatte sich gelohnt und wie es sich gelohnt hat. Es war grandios und ich hatte Einblicke und Gespräche mit einer zweifelsohne elitären Gemeinschaft von kerosininfizierten, freundlich-kumpelhaften, Jetpiloten. Vielen Dank an Veranstalter und Piloten. So und so, ich konnte jedenfalls Einiges dazulernen.  


Werner Stoff

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