Mittwoch, 21. November 2012

„Oetzi“, Teil II, Die Klamotte oder die Geschichte des „Delfis“

Die Erstversion des "Delfis"
Am 07.09.2012 hatte ich die Geschichte des „Oetzi, oder wie sich eine Idee weiterentwickelt“ hier im Blog eingestellt. Ein V-Leitwerk war das einzige, was mir vom unrühmlichen Ende meiner letzten Oetzi-Version übrig geblieben war. Beim Durchforsten meiner Reste auf der Suche nach einer neuen Entwicklung fiel mir das Teil dann irgendwann 2008 wieder in die Hände samt eines grellbunten Flügels, der ein anderes Modell überlebt hatte. Und da ich gerade zur gleichen Zeit meine jetzige Frau Karin kennengelernt hatte, nahm ich die ersten drei Anfangsbuchstabens ihres Nachnamens und die meines und schon stand zumindest bereits der Name der neuen Kreation fest: „Delfis“.
Die Reste des am Leitwerk hängenden Rumpfes verlängerte ich in altbekannter Manier seitlich auf dem Baubrett liegend in gleichbleibender Breite von 5 cm. Da der Rumpf vorn jedoch etwas zu kurz ausfiel, benötigte ich trotz vorn liegenden Akkus noch gut 100 gr. Blei, um den Schwerpunkt an die richtige Stelle zu bekommen. Die Farbgebung des Rumpfes entstand durch Verwendung aller farblichen Restfolien, die ich noch so in meinem Schrank finden konnte. Fertig war ein alltagstauglicher Flieger mit etwas ungewöhnlichem Design. Hier die technischen Daten:

Spannweite: 1,30m
Länge: 1,10m
Masse: 2 kg
Antrieb: Dymond AL 3556 mit 10*5er Latte und 4s 3000 Lipo.

Zwar kein Kraftpaket aber für einfachen Kunstflug reichten die Leistungen. Leider erwies sich die Profilwahl des Flügels als nicht besonders glücklich, das symmetrische NACA-Profil verjüngte sich von innen 18% auf außen 12% Dicke. Zum Trudeln eine gute Kombination nur im Langsamflug mit etwas Vorsicht zu genießen, weil die Strömung schlagartig abreißen konnte und Delfis dann zu einem seitlichen Wegkippen neigte. Leider geschah genau das, als ich vor lauter Freude über einen gelungenen Flug die Zeit aus den Augen verlor und bei der zwangsweise einzuleitenden Landung den Platz nicht mehr erreichte. Der Rumpf wurde im vorderen Bereich beschädigt, die Rippenfläche jedoch taugte nur noch für Rauchzeichen. So landete der noch brauchbare Rest zunächst für ein paar Jahre in der Dachkammer, bis mir meine Frau zu Weihnachten 2011 ein richtiges Kraftpaket, den AL 5055-Motor schenkte, und ich mich der Reste erinnerte.


Der neue "Delfis"-Flügel

Gemeinsam schnitten wir eine neue Fläche mit fast 20 cm mehr Spannweite, diesmal wählte ich die Dickenverteilung des Profils jedoch in umgekehrter Reihenfolge, 12% innen und 18% außen. Zudem setzte ich die Streifenquerruder gleichzeitig als Landeklappen ein. Über einen Drei-Stufen-Schalter konnte ich 0, ungefähr 25 und 45 Grad als Klappenausschläge einstellen. Es war mein erstes Modell, bei dem ich diese Auftriebshilfe überhaupt testete.
Mit der Verlängerung des Rumpfes nach vorn hatte ich es allerdings etwas zu gut gemeint, den jetzt fünfzelligen Akku mit 3.200 mAh musste ich nun hinter der Tragfläche im Rumpf unterbringen, um den Schwerpunkt ohne Bleizugabe an die berechnete Stelle zu bringen.
Das bedingte ein langes Kabel zum Regler, das ich aus normalem 220-Volt-Kabel lötete.
Zur Berechnung des Schwerpunktes setzte ich das Programm winlaengs von Jörg Russow erfolgreich ein (Der entsprechende Link zum kostenlosen Download ist unter dem Reiter „Praktische Links“ zu finden!). Entsprechend grell bebügelt, stach das Teil schon allein aus optischen Gründen wieder hervor.

Der neu entstandene "Delfis"
Spannweite: 1500 mm
Länge 1.200 mm
Masse: 2,3 kg
Antrieb. Dymond AL 5055 mit 15*8er Latte und 5s Lipo 3.300 mAh.


Der Erstflug brachte keine besonderen Überraschungen, allerdings war der stärkere Antrieb ein wahres Kraftpaket, senkrechtes Steigen mutierte nun zu einer der leichtesten Übungen. Bei Vollgas neigte Delfis jedoch zum Starken wegsteigen, der Auftrieb des Flügels war offensichtlich zu groß. Trotzdem machte es einfach Spaß, mit der Delfis herumzukurven. Beim zweiten Flug wollte ich dann die Funktion der Landeklappen testen, doch bevor es dazu kam, musste ich feststellen, dass plötzlich kein Steuersignal mehr angenommen wurde und das Modell in Kreisen sinkend hinter einem Wäldchen verschwand. Völlig getroffen von dem niemals erwarteten und unerwarteten Ausfall des 2,4 GHz-Systems, machte ich mich auf den langen Weg zur Bergung der Reste. Der Flügel hatte erstaunlicherweise nichts abbekommen, der Rumpf jedoch war vor und hinter dem Flügel gebrochen.
Das durchgeschmorte Verlängerungskabel

Als ich mir dann Zuhause noch einmal in Ruhe alles anschaute, fand ich auch die Ursache für den Anlagenausfall: Die Isolation des Verlängerungskabels war fast auf der gesamten Länge regelrecht weggeschmolzen, der unvermeidliche Kurzschluss unterbrach dann die Funkstrecke, das war´s, Schluss aus, Mickey Maus, Schicht im Schacht! Offensichtlich hatte ich die Höhe der Ströme völlig unterschätzt.
Normalerweise hätte ich wieder den Flügel behalten und den Rumpf entsorgt, doch hier zeigte sich der enorme Vorteil der gleichbleibenden Rumpfbreite, ich sägte das kaputte Stück heraus und fügte wieder seitlich liegend, ein neues Stück ein.
Einfügen des neuen Mittelstücks

Dabei reduzierte ich den Anstellwinkel des Flügels von 1 Grad auf die Hälfte. Die Servos für die Leitwerksansteuerung wanderten nach hinten, die Schnauze vorn etwas gekürzt und schon konnte der Akku oberhalb des Flügels platziert werden, ich brauchte keine Verlängerung mehr, eine Woche später stand der Flieger wieder fertig auf unserem Platz und fegte dem Himmel entgegen!

Die Reduzierung des Anstellwinkels zeigte die erhoffte Wirkung, das Wegsteigen durch Vollgas war verschwunden.

Das neu eingefügte Rumpfstück
Beim erstmaligen Testen der Landeklappen jedoch wurde ich überrascht. Normalerweise führt das Ausfahren der Landeklappen zu einem schwanzlastigen Moment, dem man mit etwas Tiefenruder entgegensteuern muss, hier jedoch war es genau umgekehrt, Delfis jagte dem Boden entgegen! Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: Offensichtlich liegt der Druckmittelpunkt des ausgefahrenen Landeklappenflügels durch die starke Pfeilung hinter dem Schwerpunkt und führt zu dem kopflastigen Moment. Tatsächlich half das Beimischen von 10% Höhenruder bei vollem Landeklappenausschlag, die auftretende Kopflastigkeit zu kompensieren, die Landegeschwindigkeit reduzierte sich spürbar, sodass ich von nun an nur noch mit voll gesetzten Klappen landete.

Langsam wird sich der Leser vielleicht fragen, warum ich diese Geschichte als „Klamotte“ bezeichnet habe. Das durchgebrannte Kabel war gewiss eine, aber ein ganz anderes Ereignis setzte dem nun wirklich die Krone auf: Bei einem der weiteren Landungen kam es zu einem Kopfstand, bei dem ein Luftschraubenblatt abbrach. An sich ist so etwas nicht weiter erwähnenswert, man schraubt einfach eine neue auf, nachdem man den Akku zunächst abgeklemmt bzw. ausgetauscht hat.
Was sich dabei auf dem Starttisch unseres Platzes abspielte, dauerte bestenfalls zwei Sekunden: Mit der linken Hand hielt ich Delfis am Rumpf über dem Flügel fest, mit der rechten legte ich den Sender daneben ab. Dabei fiel der Karabinerhaken des Tragegurtes nach links und schob den Gashebel ungefähr auf Viertelgas nach vorn. Sofort lief der Motor an, durch die enorme Unwucht brach das Rumpfvorderteil ab und verschwand jenseits der Tischkante, gleichzeitig klappte das Leitwerk nach unten. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte, während mir von weitem bereits das schallende Gelächter einiger netter Fliegerkollegen entgegen brauste. Besser hätte es in keiner Pannenshow dargestellt werden können!
Weitere Verstärkung des Rumpfvorderteils mit Kevlar
Seit dieser Zeit programmiere ich für alle Elektroantriebe zusätzlich über einen Schaltkanal die „Motor-Aus-Funktion“ auf meinem Sender, aktiviere sie direkt nach der Landung, bzw. deaktiviere sie erst unmittelbar vor dem Start.

Bis zum nächsten Start des Delfis in der darauffolgenden Woche verstärkte ich den Rumpf vorn mit Kevlar und hinten von innen mit Sperrholz, von außen mit Seide, die ich mit dünnem Blitzkleber tränkte.
Nun sollten alle möglichen Fehler behoben sein, dachte ich. Doch wie so oft im Leben hat man es nicht mit einem Wunschkonzert

Hintere Rumpfverstärkung mit Seide

zu tun, es kommt immer anders als man denkt, denn eine Fehlerquelle existiert immer: das ist der komische Typ, der hinter dem Sender steht und die Knüppel bewegt!
Im Spätsommer 2012 passierte dann das, was vielen Modellen letztlich den Garaus macht: der Leichtsinn! Beim Kurbeln in geringer Höhe konnte ich den Knoten aus meinen Fingern nicht schnell genug wieder lösen und unten lag Delfis. Diesmal hatte es den Rumpf doch erheblich zerbröselt, nur der Flügel blieb mir erstaunlicherweise unbeschädigt erhalten. Der liegt nun wieder auf dem Dachboden und wartet auf bessere Zeiten, außerdem ist gerade ein Doppeldecker wieder mit durchgehend breitem Rumpf entstanden…

Mittwoch, 7. November 2012

Christian Petasch: Von GPS und Maisfeldern

Murphys Gesetz besagt bekanntlich: Alles was schief gehen kann, geht schief. Das fängt morgens beim Aufstehen an und geht den ganzen Tag so weiter. An solchen Tagen sollte man also tunlichst die Finger von der Fernsteuerung lassen und zu Hause bleiben. Ansonsten kann man schon fast eine Garantie darauf geben, dass irgendetwas passiert. Doch dank modernster Technik gibt es ja inzwischen für nahezu jedes Ereignis eine geeignete Hilfe.
Und deshalb nutze ich diesen einzigen windstillen Tag der letzten und nächsten Wochen, die Akkus der Multiplex Pico Cub sind aufgeladen, also ab zum Platz. Angekommen wird hurtig aufgerüstet, noch ein letzter Rundblick – die Sonne steht schon recht tief, in einer dreiviertel Stunde wird’s dunkel – kurzer Rudercheck und ab in die Luft. Fliegt ja ganz ordentlich heute Abend, also Knüppel nach vorne und im Tiefflug übern Platz. OK, nicht ganz Piper like, aber Spaß macht es trotzdem. Aufschwung, Linkskurve und…. Irgendwie will sie nicht wieder in Neutrallage. Doch, jetzt kommt sie. Aber doch nicht so weit! Eine elegante Rechtskurve später und die Pico Cub ist im Mais verschwunden. Gut, dass sie langsam war, es besteht also Hoffnung, dass sie noch ganz ist. Also los und fix suchen, bevor es dunkel ist.
Nun gibt es zwei Suchvarianten: Die klassische mit Peilung der Richtung und Reihe für Reihe absuchen, und die moderne. Bei der modernen Variante nutzt der Modellpilot Telemetrie, insbesondere die Möglichkeit des Global Positioning Systems- GPS. Dieser Telemetrie-Sensor ist speziell umgebaut auf einen GPS-Empfänger aus dem Militärbereich, da herkömmliche Module natürlich zu ungenau sind. Die Investitionskosten belaufen sich hierbei um etwa 500€. Die Koordinaten der Absturzstelle werden nun drahtlos auf einen Tablet-PC mit einer selbstentwickelten Spezialsoftware übertragen und per Bildschirmberührung in die „Automatische Modell-Suchroutine“ eingegeben. Daraufhin wird durch die Software als erstes eine Kameradrohne gestartet. Als optimal hat sich hierbei ein Oktokopter mit Carbonchassis, einer speziellen Kamerahalterung und natürlich dem GPS aus dem Militärbereich herausgestellt. Befeuert wird das ganze durch zwei 4s/5000mAh LiPo Akkus. Der Preis der Komponenten inkl. des Spezialumbaus liegt bei schlappen 8.500€-9.000€. Als Kamera wird ein Gerät mit FullHD Auflösung verwendet (ab 750€), dessen Bilder ebenfalls drahtlos zum Tablet-PC übertragen werden. Nach der exakten Positionierung über den angegebenen Koordinaten wird nun die Absturzstelle mithilfe eines in der Software integrierten Bildanalysetools verifiziert. Bei einem Erfolg wird nun der optimale Weg vom Piloten durch das Maisfeld zum Modell und wieder zurück berechnet. Diese Daten werden dann auf das Smartphone der Piloten übertragen und das Modell kann geborgen werden. Dank dieser modernen Technik und der Investition von gerade einmal 10.000€-11.000€, die bekanntermaßen ja selbst in der kleinsten Portokasse vorhanden sind,  ist es möglich, ohne langes Suchen ein Flugmodell innerhalb kürzester Zeit zu finden und aus den Klauen von Mais- und sonstigen Feldern zu befreien.
Die Pico Cub hatte diesen Absturz übrigens mit einer verbogenen Fahrwerksstrebe und etwas Schmutz an den Tragflächen überstanden, schuld am Absturz waren Empfangsstörungen durch unsaubere BEC-Spannung vom Regler. Und mal ganz ehrlich, ist es da nicht sinnvoller für 45€ auf Brushless umzurüsten und sich dadurch den ganzen technischen Aufwand zu sparen?
Vielleicht ist das ja der Grund dafür, warum die moderne Suchmethode so selten zum Einsatz kommt. Offensichtlich gibt es noch vernunftbegabte Modellflieger, die nicht jedem technischen Trend hinterherlaufen, koste es, was es wolle.

Donnerstag, 1. November 2012

Wer fliegt denn da? Heute: „Der Kampfgeier“

Karikatur von Klaus Heilmann, www.kunstmalstudio.de
Während der Flugsaison kann man auf den Flugplätzen nicht nur Flugmodelle jeglicher Art und Größe bewundern, sondern auch deren Piloten, hier wird dem aufmerksamen Betrachter vom Paradies- bis hin zum schrägen Vogel ein reichhaltiges Repertoire geboten. Grund genug, sich dieser Exoten einmal näher anzunehmen. Heute beschäftigen wir uns mit dem „Kampfgeier“.
Wie aus dem Nichts steht er plötzlich auf dem Flugplatz. Der militärische Geländewagen in Tarnfarben sowie sein Kampfanzug in ebensolcher Gestaltung tragen dazu bei, dass er sich nur schwer von dem Hintergrund abhebt. Die Hose streng gebügelt und zur Sicherheit zusätzlich den Kniff mit einer Naht verstärkt, den gestählten Oberleib in ein Muskel-T-Shirt eingehüllt, kurz geschorene Haare und jedes freie Fleckchen Haut mit Tarnfarbe bedeckt, steht er unerwartet mitten im Geschehen. Er bewegt sich nur im Stech- oder Laufschritt, seine Sprache wirkt knapp und abgehackt.
Die erste Handlung, die er auf dem Platz vornimmt, ist der Aufbau eines Fahnenmastes, an dem mit allen militärischen Ehren die Deutschlandfahne gehisst wird. Ein kleiner angeschlossener Kompressor sorgt dafür, dass die Flagge immer im Wind komplett flatternd zu sehen ist. Erst danach packt er seine Flugmodelle aus, die wie in einer militärischen Formation aufgestellt werden, selbstredend handelt es sich dabei natürlich nur um deutsche Kampfflugzeuge aus dem zweiten Weltkrieg wie Me 109 oder FW 190. Da er ständig davon überzeugt ist, dass ein Feind naht, baut er gleich um seine Flugzeuge ein militärisches Sperrgebiet mit Kasernenanlagen, Wartungs-, Reparaturbereich und Sicherungsstaffeln auf.  Um ebenfalls aus der Luft gesichert zu sein, reicht es ihm nicht, die gesamte Anlage mit Tarnnetzen zu überdecken, nein, ein in Alarmbereitschaft versetztes Flugabwehrregiment trägt zur zusätzlichen Sicherheit bei.
So vorbereitet, holt er schließlich seinen aufklappbaren Feldherrnhügel aus dem Wagen und baut ihn für alle gut sichtbar auf dem Flugplatz auf. Untermalt von militärischer Musik sucht er nun lauthals Gleichgesinnte:
„Männer, der Feind naht!  Müssen immer auf einen Angriff vorbereitet sein! Appelliere an Euren Patriotismus. Wer trainiert mit mir?“
Spätestens jetzt beginnt sich der Flugplatz zu leeren, die Ersten machen sich sicherheitshalber auf den Heimweg. Doch unser Kampfgeier lässt sich dadurch nicht entmutigen, nun spricht er die übrig Gebliebenen persönlich an.
„Kamerad, kleines Luftgefecht gefällig? Training ist wichtig!“
Mit Ausreden wie „Mein Höhenruderservo ist gerade ausgefallen.“, „Kein Sprit mehr.“ „Das Einziehfahrwerk klemmt.“, versuchen sie sich aus der Affäre zu ziehen.
Findet er dann doch noch einen Wagemutigen, bedeutet das fast immer das schnelle Ende seines Fliegers. Unter dem lauten Klang von Siegesmärschen malt unser Kampfgeier dann ein weiteres Kreuz auf den Rumpf seiner Kampfmaschine.
Anfänger verwechseln den Kampfgeier leicht mit dem „Warbird“. Mit diesem putzigen Zeitgenossen werden wir uns allerdings noch gesondert beschäftigen.