Dienstag, 15. Juli 2014

Beratungsresistenz




Karkatur von Klaus Heilmann, www.kunstmalstudio.de

 Nachdem ich das Fliegen erlernt hatte, reizte es mich recht bald, Flugmodelle nach eigenen Vorstellungen zu entwerfen und zu bauen. Dabei wählte ich als Prinzip jedoch nicht „Versuch und Irrtum“. Das wäre die teuerste Variante geworden, die damals weder mein Geldbeutel noch meine Zeit hergegeben hätten. Stattdessen investierte ich in ein Buch über die Konstruktion, das bis heute in meinem Besitz ist. Selbst wenn die darin dargestellte Technik nach aktuellem Standard als steinzeitlich betrachtet werden muss, so gelten doch die aerodynamischen Grundlagen bis heute unverändert. Deshalb gebe ich diese Lektüre gerne an Interessierte weiter. Ergänzt durch langjährige Erfahrungen, die ich mir zusätzlich von Fliegerkollegen zu eigen machte, wurde nicht nur mein Geldbeutel geschont, denn die frustrierenden Rückschläge hielten sich in Grenzen. Das Wichtigste aber ist, dass ich noch immer von diesem Wissen zehre. So entstanden und entstehen zum Teil interessante Konstruktionen, die sich vom Alltag der Fertigmodelle absetzen. Das ist Modellbau, wie er richtig Spaß macht!
Leider eignen sich viele Modellflieger durch den Preisverfall und die reichlich auf dem Markt zu findenden Fertigangebote nur noch selten das nötige Grundwissen an. Bereits bei kleineren Problemen ist dann meist Holland in Not. Wohl dem, der sich in solch einer Situation auf den Erfahrungsschatz von Kollegen stützt. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, denn es gibt auch Beratungsresistente, die sich ihre Hilfe lieber aus zweifelhaften Quellen zu holen versuchen, weil ihm das naheliegende Wissen offensichtlich gleichgültig erscheint: Wofür brauche ich Ratschläge? Ich ärgere mich lieber ständig weiter. Ich nenne das „Lernen durch Schmerzen“, wer es aber braucht, bitte:
Im letzten Jahr brachte ein langjähriger Fliegerkollege einen Doppeldecker auf den Platz. Stolz präsentierte er seine neueste Errungenschaft, die er günstig auf einem Trödelmarkt erstanden hatte. Der Preis klang zunächst wirklich verlockend, wenn der Kollege nicht über ständige Schwierigkeiten beim Fliegen berichtet hätte. Beim näheren Hinsehen musste ich allerdings unwillkürlich an den Film denken „Geschenkt ist noch zu teuer“, in dem ein junges Ehepaar ein außergewöhnlich hübsches Haus gekauft hatte, das sich jedoch ganz schnell als abrissreifes Objekt herausstellte. Schon auf den ersten Blick fiel der Verzug in den Flügeln auf. Ja, das wäre ihm auch schon aufgefallen, aber zum Ausgleich gibt es ja die Trimmung.
OK, aber warum hat er nicht bereits vorher hingeschaut, ein Spottpreis wird ja nicht ohne Grund gewählt?
Im weiteren Gesprächsverlauf entbrannte dann eine Diskussion über die richtigen Anstellwinkel von Flügeln und Leitwerk, in dessen Verlauf er wirklich bemerkenswerte Ansichten äußerte: Besonders problematisch würde es ja werden, wenn er den Motorsturz veränderte. Wo überhaupt ist eigentlich die Rumpfmittellinie? Die verändert sich doch mit dem Motorsturz. So wäre es doch niemals möglich, die richtigen Anstellwinkel zu finden oder gar einzustellen.
Je länger das Gespräch dauerte, umso heftiger erschien mir seine Gegenwehr. Als er schließlich seine zusätzlichen Forumserfahrungen einbrachte, strich ich die Segel: Dort hätte er dazu bei zwei Anfragen drei Meinungen gehört. Klar, Aerodynamik fußt ja auch nicht auf den nachvollziehbaren Regeln der Physik sondern auf den individuellen Ansichten Einzelner.
Mit einem Schmunzeln schaue ich dem Kollegen noch heute zu, wie er sich wieder und wieder über diesen widerspenstigen Doppeldecker ärgert. Ich nenne das wie gesagt „Lernen durch Schmerzen“, bei ihm scheint die Schmerzgrenze allerdings sehr hoch zu liegen.

Mittwoch, 2. Juli 2014

CamBam, ein vielseitiges CAD/CAM-Programm





Einleitung
Gewiss kann man mit einem Zeichenprogramm wie z. B. Corel Draw erste Erfahrungen im Entwurf von Werkstücken machen, die später gefräst werden sollen. So begann auch mein Einstieg. Allerdings ist ein Zeichenprogramm wie der Name es bereits zum Ausdruck bringt, weniger für nachfolgende Fräsanwendungen entwickelt worden. Je tiefer man schließlich in die Materie des CNC-Fräsens einsteigt, umso mehr fällt irgendwann die Aufmerksamkeit auf professionelle Anwendungen.
Als ich im letzten Jahr begann, meine CNC-Fräse technisch um- und aufzurüsten, machte ich mich gleichzeitig auf die Suche nach einem geeigneten CAD/CAM-Programm zur Generierung von G-Code, das von dem von mir inzwischen verwendeten Fräsprogramm Mach3 benötigt wird. Es sollte einfach in der Anwendung, 2,5-D fähig sein und natürlich finanziell erschwinglich bleiben. Durch eine Internetrecherche wurde ich schließlich auf CamBam aufmerksam.

Ursprung
Das Programm stammt von Andy Payne aus England, von dort ist es auch zu beziehen. Die Entwicklung begann im Jahre 2005. Aus dem zunächst einfachen G-Code-Generator für  2D-Anwendungen entwickelte es sich bis heute zu einem sehr leistungsfähigen Programm, das inzwischen sogar eingeschränkt 3D-fähig ist (bezogen auf die CAM-Funktionen ist es vollwertig, die Einschränkung gilt nur für den Grafikeditor). Seit November 2011 gibt es auch mehrsprachige Versionen, sodass man als deutscher Nutzer nicht mehr über Englischkenntnisse bei der Bedienung verfügen muss. Dieser Punkt sollte nicht unterschätzt werden: Wer sich schon einmal ohne ausreichende Kenntnisse in technischem Englisch mit einem solchen Handbuch auseinandersetzen musste, versteht, was ich meine.
Die große Stärke von CamBam besteht darin, dass es immer nah am Nutzer weiterentwickelt wird. So fließen die Erfahrungen über ein deutsch- und englischsprachiges Forum an Andy Payne zurück. In der Praxis sieht das so aus, dass zunächst viele kleine Beta-Versionsschritte zum Testen herausgebracht werden, die schließlich zu einem großen stabilen Release führen.
Deshalb findet CamBam inzwischen auch bei professionellen Anwendungen seine Nutzer.

Allgemeines
Sehr gut gefiel mir auf Anhieb, dass man sich das Programm zunächst kostenlos von der Homepage http://www.cambam.info/ herunterladen und nach der Installation 40 mal im vollen Umfang testen kann, anschließend ist die Generierung von G-Code auf maximal 1.000 Programmzeilen begrenzt. Somit bleiben einem Interessenten genügend Testmöglichkeiten, bevor er sich für den Kauf der Lizenz entscheidet, eine äußerst kundenfreundliche Eigenschaft. Noch bevor ich allerdings die Testphase ausgeschöpft hatte, kaufte ich mir für € 108,00 die Nutzungslizenz, weil mich die Möglichkeiten sehr schnell überzeugten. Mit dieser Lizenz kann das Programm auf mehreren einzelnen Rechnern in der Vollversion betrieben werden.
Weiterhin fand ich ein deutschsprachiges Forum http://cambam.pixelmaker.eu/pages/, bei dem man nach der Registrierung Hilfe für die Anwendung von CamBam bekommen kann. Neben der schnellen sowie kompetenten Auskünfte, von denen ich mich bereits selbst überzeugen konnte, finden sich dort z. B. auch viele Tipps, Skripten sowie Plugins mit Sonderfunktionen, die sich nachträglich in CamBam einbinden lassen. Das Beste daran ist aber, dass dieser Service kostenlos angeboten wird. In diesem Zusammenhang möchte ich mich ganz besonders bei dem Administrator des deutschen Forums für seine engagierte Unterstützung bei der Erstellung dieses Testberichtes bedanken.
Neben der online-Unterstützung gibt es im Forum ein deutsches Handbuch als kostenlose pdf-Datei, das von unschätzbarem Wert sein kann. Jeder, der schon einmal ohne Kenntnisse in technischem Englisch versucht hat, eine entsprechende Anleitung als Hilfestellung zu verwenden, wird verstehen, was ich meine.
Einstellung des Postprozessors

Funktionen
Um den Rahmen dieses Testberichtes nicht zu sprengen, möchte ich nur stichpunktartig einige Leistungsmerkmale von CamBam auflisten:

Anzeige
Frei im 3D-Raum drehbare Ansicht, konfigurierbare farbliche Darstellung von Werkzeugwegen, Objekten und Oberflächen, Zoom
Importformate
.cb , .dxf, .3ds, .stl, .gbr, .gtl, .gbl, .gbo, .drl, .csv, .tap, .nc
Exportformate
.cb, .dxf
Zeichnen
Polylinien, Rechteck, Kreis, Bogen, Punkte, Text, Ellipse, Tangenten, Spiralen, Trochoidale Polylinien, Polygone (über kostenloses PlugIn), Punktlisten, Füllen von Flächen mit Punkten für Bohrbilder oder Rasterbohrungen, Punktlisten um Objekte, Extrusion von Polylinien, 3D Oberflächen aus Bitmaps oder Koordinatendatei erzeugen, Projektion von Polylinien auf 3D Objekte
Bearbeiten der Zeichenelemente
Verbinden, Explodieren, Transformationen (Drehen, Bewegen, Größe anpassen, Ausrichten, Spiegeln, Reihenkopie, Polare Kopie, Polylinie mit Abstand erzeugen, Vereinen, Schnittmenge, Subtraktion, Zuschneiden mit Objekten, Verbinden mehrerer Polylinien zu Bereichen, Konvertieren von Punktlisten zu Polylinien
Bearbeitungen
Profilbearbeitung, Tasche, Gravieren, Gewindefräsen,
V-Gravur/V-Carving, Drehen, 3D Profil. 2D, 3D, Gravur und Bohrbearbeitungen sind frei in einer einzigen Datei kombinierbar
Bibliotheken
Templates (verschiedene Grundeinstellungen sind abspeicherbar und können auf Wunsch geöffnet werden), CAM-Stile (wiederkehrende Bearbeitungen oder Grundeinstellungen zu Bearbeitungen können gespeichert werden), Werkzeuge
Post Prozessor System
Umfangreiche Bibliothek von Postprozessoren (z. B. DIN/ISO G-Code, Mach3, USB-CNC, LinuxCNC), mitgelieferte Postprozessoren sind frei anpassbar für weitere Steuerungen
Erweiterungen
Skriptfähigkeit (VB-Skript, J-Skript, Phyton Skript) PlugIn fähig. Viele Skripte und PlugIns stehen zum kostenlosen Download im Forum bereit

Vor allem der Import von dem häufig genutzten dxf-Format lässt z. B. den Datenaustausch mit den bereits von mir beschriebenen Programmen aus dem Hause DevCad zu (z. B. DevWingCam, DevFusCam). Selbst aus einem fertigen G-Code lassen sich in CamBam mit wenigen Klicks die ursprünglichen Bauteile wieder rekonstruieren und weiter bearbeiten.


Erste Schritte
Nach der Installation sollte man zunächst die Einheiten auf „mm“ einstellen, möglich wäre allerdings auch „inch“. Dann ist der Reiter „System“ anzuklicken. Für die korrekte Erstellung des G-Codes ist im Unterpunkt „Post-Prozessoren“ der verwendete zunächst durch Anklicken rechts als Standard zu setzen. Bei mir wie gesagt ist dies Mach3. Ein kleines grünes Dreieck markiert den eingestellten Post-Prozessor (Bild 1).
Bei den „Werkzeug-Bibliotheken“ sollte man die Fräser einrichten, die man später benutzen wird. Da wir mit der Einheit Millimeter rechnen, ist dies in dem Unterordner „Default-mm“ vorzunehmen. Ein Rechtsklick auf das Ordnersymbol ermöglicht die Einrichtung weiterer Fräser.
Damit sind bereits die wichtigsten Grundeinstellungen getroffen, um nach der Zeichnung von Objekten entsprechenden G-Code zum Fräsen generieren zu können. Um zur Zeichnung von Objekten zu kommen, klickt man wieder den Reiter „Zeichnung“ an.

Anwendungsbeispiel
Für mein aktuelles Projekt, dem Nachbau einer Ju 287, benötige ich vier Turbinenverkleidungen: In einem Rohr mit konstantem Durchmesser werden die Impeller montiert. Da der Querschnitt der Verkleidung ebenfalls durchgehend rund ist, konnte ich über einen Schnitt in Längsrichtung alle gewünschten Werte bekommen, um die benötigten Bauteile zu erhalten.
Bild 2: Turbinenschnitt mit markiertem Sitz der Spanten
 Zunächst zeichnete ich die Außenkontur eines Gurtes mit dem Abstand des Radius von der y-Achse und markierte mir durch Linien die Stellen, an denen Spanten sitzen sollten (Bild 2). Dort setzte ich jeweils in halber Höhe des Gurtes Nuten, indem ich aus einer Polylinie ein genügend großes U in der Spantenbreite ausrichtete. Über die Funktion „An Pfadkreuzungen aufteilen“ wurden die überschüssigen Linienstücke getrennt und anschließend gelöscht. Das gesamte Objekt wurde danach markiert und über „Verbinden“ wieder in ein geschlossenes überführt. Den Radius des Spantes erhielt ich durch Messung von der y-Achse zur Außenkontur des Gurtes (Bild 3).
Bild 3: Messen der Spantendurchmesser
 An den Stellen, an denen später die Impeller eingeschraubt werden, platzierte ich in der Größe der Befestigungslaschen ein Rechteck. Die Dicke der Laschen wird in diesem Bereich abgetragen, damit der Impeller genau mittig im Rohr sitzt. Zwei Kreise in diesen Taschen dienen der Verschraubung. So entstehen nach und nach alle Gurte teilweise nur durch Kopieren eines bereits vorhandenen.
Bild 4: Vorbereiten der Aussparungen für Gurte
Die Spanten entstehen aus Kreisen. Auch hier konstruiere ich mir für die Aussparungen ein genügend großes U und setze das erste an die gewünschte Stelle (Bild 4). Über eine Radialkopie finden die restlichen ihren genauen Platz (Bild 5). Überschüssige Linien werden wieder beseitigt und das Objekt geschlossen wie oben bereits beschrieben. Nach dem gleichen Muster entstehen die restlichen Spanten (Bild 6).
Bild 5: Radialkopie für alle weiteren Gurte
Bild 6: Die fertigen Spanten
 Nachdem alle Bauteile entworfen sind, wird jedem Objekt die benötigte Bearbeitung zugeordnet (sogenannte „Maschinenoperationen“, abgekürzt „MOP“, z. B. „Profil“ für Ausfräsung innen oder außen, „Tasche“ für flächige Materialabtragung). CamBam bietet hier eine interessante Unterstützung: Die zu fräsenden Objekte müssen nicht nach Innen- oder Außenfräsungen getrennt werden. Das Programm erkennt automatisch, wenn Objekte innerhalb von anderen liegen und berechnet die richtigen Radiuskorrekturen in einem Gang. D. h. man wählt ein Bauteil in Gänze aus und muss CamBam nur noch bei den Einstellungen zur MOP mitteilen, ob z. B. die Haltestege an der Innen- oder Außenkontur berücksichtigt werden sollen.
Natürlich muss man die Bauteile auf verschiedene Dateien verteilen, wenn sie aus unterschiedlich dickem Material gefräst werden sollen. Nachdem der Maschinennullpunkt positioniert wurde, kann man sich zunächst die Fräswege anzeigen lassen, ggf. sind noch Haltestege zu verschieben. Dies geschieht durch Anklicken und Verschieben an die gewünschte Stelle.
Abschließend lässt man den G-Code erstellen, der mit der Frässoftware abgearbeitet wird.
Mit etwas Übung dauert es bis zu Generierung des G-Codes der hier beschriebenen Bauteile ungefähr eine Stunde.

Ich setze CamBam auch sehr gerne mal zwischendurch ein, wenn ich z. B. eine Servohalterung  oder einzelne Spanten benötige. Das ähnelt angesichts der Möglichkeiten dieses Produktes zwar ein wenig an das Schießen mit Kanonen auf Spatzen, bringt aber schnellere und genauere Ergebnisse als von Hand.

Fazit
Der Schwerpunkt von CamBam liegt im Bereich des CAM. Für das Zeichnen von Objekten, bei denen der Einsatz von Bezier-Kurven oder Splines erforderlich ist, stößt man hier an Grenzen. Hat man es häufiger damit zu tun, sind für diesen Bereich andere Produkte vorzuziehen. Ansonsten ist CamBam ein benutzerfreundliches, professionell gestaltetes CAD/CAM-Programm nicht nur für Anwendungen im Hobbybereich. Mit seinem hervorragenden Preis-/Leistungs-verhältnis und dem zusätzlichen Service über das Forum eignet es sich besonders für uns Modellbauer zum Entwurf spezieller Bauteile.

Lizenz-Preis: € 108,00