Freitag, 29. Juli 2011

"Wie hoch fliegt der denn?"

Wenn wir mit unserem Hobby Abwechslung von unserem Alltag suchen, so können wir uns in den Bastelraum setzen, neue Projekte auf den Weg bringen oder aus der Taufe heben, Verschlimmbesserungen an den bestehenden Modellen vornehmen oder diese mit Putz-, Flick oder Reparaturarbeiten weiterhin flugfähig halten. Meistens sind wir dabei so lange allein, bis unsere bessere Hälfte sich mit ihrem unwiderstehlichen Liebreiz bemerkbar macht und uns freundlich darauf hinweist, dass es neben unserem Hobby noch andere wichtige Verpflichtungen gibt, um die wir uns kümmern müssen.
Steht uns der Sinn nach mehr Gesellschaft, so bietet sich der Weg auf den Flugplatz an. Natürlich wollen wir fliegen, das allein macht aber noch keinen erfolg- und erlebnisreichen Flugtag aus, sondern Fachsimpeleien, der neueste Tratsch und Klatsch, der Erstflug eines Modells, die Unterstützung und guten Ratschläge durch die Fliegerkollegen.
Nein, ich meine jetzt nach einem Absturz nicht Ratschläge der Art: „Was, Du fliegst Tabafu? Hättest Du wie ich Lumptiplex geflogen, wäre das natürlich nicht passiert!“ Oder wenn beim Startvorgang der Treibling einfach keine Lust hat ,das Gas anzunehmen und stehenbleibt. In so einem Moment sorgt eine Bemerkung wie: „Brich den Startvorgang ab, dein Motor steht!“ zwar für allgemeine Belustigung, doch führt es bei dem Piloten zu weiterem ungesunden Bluthochdruck, weil er die Marotten seines Antriebes nun schon zum x-ten Mal miterlebt hat. 
Als beinahe bösartig hingegen ist lautes Rufen von „Ziehen!“ einzustufen, wenn man gerade mit Vollgas seinen Flieger im Rückenflug über den Platz donnert und dabei mit dem Seitenleitwerk den Weg in den Rasen fräst.
Es sind die Hilfestellungen, die nach eben genannten Motorproblemen durch Fliegerkollegen den Antrieb dann doch noch davon überzeugen, was seine wahre Bestimmung ist und zum Erfolg des Tages beitragen. Man ist eben nicht allein, das zeichnet ein lebendiges Vereinsleben aus.
Daneben gibt es noch Erfahrungen einer etwas anderen Art: Nicht nur bei offiziellen Anlässen wie Flugtagen finden sich Zaungäste ein, deren Radtour mehr oder weniger zufällig am Platz vorbeiführte. Hand aufs Herz: Fliegen wir in solchen Momenten nicht ein wenig auffälliger als sonst? Wollen wir den Gästen am Rand nicht zeigen, was für tolle Hechte wir sind? Tatsächlich werden solche Flüge gelegentlich auch mit Beifall vom Rande geehrt. Und manch einer der Zaungäste wagt es sogar, näher zu kommen, um sich die Technik unserer Flieger genauer zu betrachten. Gerne schrauben wir in solchen Momenten einen Flügel ab, um den Blick in die Inneren freizugeben, bewegen die Senderknüppel und erklären dabei die einzelnen Funktionen.
In solchen Momenten warte ich bereits darauf und bislang bin ich noch nie enttäuscht worden, denn dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis sie kommt, die Frage aller Fragen, die mit Sicherheit schon jedem Modellflieger gestellt wurde:
„Wie hoch fliegt der denn?“
Inzwischen habe ich mir sehr viele Gedanken über diese Frage gemacht: Wie antwortet ich richte darauf? Welcher Sinn mag wohl dahinter stecken?
Zunächst einmal stellte ich mir die Frage in einem anderen Zusammenhang. Ich komme auf den Flugplatz mit einem neuen Auto. Natürlich werde ich nach dem neuen Gefährt befragt, die Motorhaube und der Kofferraum werden geöffnet, um die Kollegen hineinschauen zu lassen. Wer käme in solch einem Moment auf die Idee zu fragen: „Wie weit fährt der denn?“
Das jedenfalls habe ich noch nie erlebt, weil niemand danach fragen würde, um sich nicht als völlig Unkundiger zu entlarven.
Oder gehen wir doch in einen dieser vielen Elektronikmärkte und lassen uns verschiedene Fernsehgeräte, Staubsauger oder Waschmaschinen präsentieren. Wie mag wohl der Verkäufer reagieren, wenn wir ihm anschließend die Frage stellen: „Wie lange läuft der denn?“
Ein Schuhverkäufer wäre bei dieser Frage sicherlich genauso irritiert.
Nicht viel anders sähe es wahrscheinlich aus, wenn wir uns bei einem Obsthändler mit frischen Äpfeln oder Orangen eindecken und vor dem Kauf wissen wollten: „Wie lange schmecken die denn?“
Die Liste ließe sich sicherlich noch beliebig erweitern, aber eines wäre klar: Wenn wir uns so durch das Leben fragten, wäre es gewiss nur noch eine Frage der Zeit, bis man unseren gesunden Geisteszustand anzweifeln würde und unvermeidlich die Frage zurück käme: „Wie dumm ist der denn?“ 
Kommen wir also zurück auf den Flugplatz. Sind die Frager folglich geistig etwas zurückgeblieben oder labil?
Darüber mag ich mir kein Urteil erlauben. Mit Antworten wie: „Im Moment ziemlich genau auf Bodenniveau!“ oder wie ein befreundeter Kollege einmal sagte: „So hoch, bis man ihn nicht mehr sieht!“, habe ich mich allerdings noch nie getraut, auch wenn ich mich inzwischen stark zurückhalten muss, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Ich bleibe lieber auf der sicheren Seite und erkläre dem Frager etwas von Sichtweite und Reichweite der Fernsteuerung und freue mich am Ende des Flugtages, wieder auf erlebnisreiche Stunden zurückblicken zu können.

Mittwoch, 27. Juli 2011

Lachsikon nicht nur für Experimentalmodellbauer

Abwind, der.
Schlechte Laune der →Auftriebshilfe. Siehe auch →Abwindfeld, →Anstellwinkel und →Druckmittelpunkt.
Abwindfeld, das.
Schlimmste, irreversible Form des →Abwindes. Ursache ist meist eine lang anhaltende →Einstellwinkeldifferenz. Kann nur noch durch einen Wechsel der →Auftriebshilfe beseitigt werden.
Anstellwinkel, der.
Verbringt der →Flugmodellbauer zuviel Zeit in seinem →Bastelkeller, neigen die →Auftriebshilfen zum →Abwind. Sie stellen sich widerspenstig an und dem →Flugmodellbauer im Winkel von 180 Grad konfrontierend gegenüber. Der →Flugmodellbauer wird dann zum →Druckmittelpunkt. Äußerst unangenehmer Zustand, dessen Auftreten rechtzeitig erkannt und durch Blumengeschenke, in besonders schwierigen Fällen kombiniert mit den Besuchen öffentlicher Veranstaltungen, die garantiert nichts mit dem Flugmodellbau zu tun haben dürfen und einem →Motor, bürstenloser entgegengewirkt werden sollte.
Auftrieb, der.
Ist das, was der →Flugmodellbauer bekommt, wenn der →Erstflug seines →Experimentalflugzeugs erfolgreich verlief und ihn dazu anspornt, weiter zu experimentieren.
Auftriebshilfe, die.
Anderes Wort für Freundin oder Ehefrau, die den →Flugmodellbauer jedes Mal dann wieder aufbauen muss, wenn der →Erstflug seines →Experimentalflugzeugs schief lief.
Bastelkeller, der.
Auch Hobbyraum, ist das Gegenstück zum Spielzimmer unserer  Kinder für ­→Flugmodellbauer. Da das Tageslicht kaum in diese heiligen Räume vordringt, spendet die →Neonsonne entsprechende Helligkeit.
Druckmittelpunkt, der.
Angriffspunkt des →Abwindes der →Auftriebshilfen.
Einstellwinkeldifferenz, die.
Gefährliche Fehleinschätzung der →Auftriebshilfe durch den →Flugmodellbauer, kann zu erheblichem →Abwind führen.
Ente, die.
Misslungene natürliche Nachbildung des →Entenflugmodells.
Entenflugmodell, das.
Das Entenflugmodell ist eine Variante eines →Experimentalflugzeugs. Im Gegensatz zu seinem misslungenen natürlichen Original, der →Ente, verfügt es über zwei tragende Flügel, die das Flugzeug scheinbar rückwärts fliegen lassen.
Erstflug, der.
Der alles entscheidende Schritt eines →Experimentalflugzeugs, der seinem →Flugmodellbauer bis zu seinem erfolgreichen Abschluss zunächst sehr viel →Unbehagen verschafft. Wird von den →Fliegerkollegen immer besonders aufmerksam beobachtet.
Experimentalflugzeug, das.
Flugmodell, das allein schon durch seine außergewöhnliche Erscheinungsform auffällt und die Aufmerksamkeit der →Fliegerkollegen auf sich zieht. Sorgt für Abwechslung auf dem Flugplatz und in der Luft. Der natürliche Feind des Experimentalflugmodells ist das →Fertigmodell.
Fertigmodell, das.
Flugmodell von der Stange, das man im Idealfall direkt aus der Verpackung in die Luft befördern kann. Verstärkt im Gegensatz zum →Experimentalflugzeug die Langeweile auf dem Flugplatz und in der Luft.  
Fliegerkollegen, die.
Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen. Gemeinsam ist Ihnen allen, dass sie das →Experimentalflugzeug eines →Flugmodellbauers zunächst kritisch beäugen. Geht der →Erstflug schief, haben es alle schon vorher gewusst und stehen mit hunderten von Verbesserungsvorschlägen bereit. Wenn der →Erstflug gelingt, neigen einige dazu, dem →Flugmodellbauer Anerkennung auszusprechen, andere wenden sich mit den Worten „das hätte ich noch besser gekonnt“ neidvoll ab.
Flugmodellbauer, der.
Vom Aussterben bedrohter Modellflieger, der gerne selbst experimentiert und folglich mit →Experimentalflugzeugen auf dem Flugplatz erscheint. Er hofft, mit diesen genauso unbeschadet den Platz wieder verlassen zu können. Siehe auch →Erstflug.
Gebrüder Wright, die.
Bereits verstorbene Brüder, die beweisen, dass man als völlig Berufsfremder den Grundstein für die Fliegerei legen kann. Wesentliche Hoffnungsträger für den →Flugmodellbauer.
Hummel, die.
Beweis, dass entgegen den einfachen Gesetzen der →Physik das Fliegen auch möglich ist, weil sie sich nicht daran stört.
Kopfflügel, der.
Vorderstes tragendes Element des →Entenflugmodells, das seinen Träger gegenüber dem misslungenen Original der →Ente perfektioniert. Nicht zu verwechseln mit der Kopfbedeckung, die manchmal ein norddeutscher Komiker und auch ein gallischer Krieger tragen.
Kornfeld oder auch Maisfeld, das.
Beliebter Landeplatz für störrische →Experimentalflugzeuge, der dann am häufigsten gewählt wird, wenn der Wuchs den bestmöglichen Sichtschutz abgibt. Hat bei dem →Flugmodellbauer den positiven Nebeneffekt, →Masse abzubauen.
Längsstabilität, die.
Auch Festigkeit des alleinstehenden →Flugmodellbauers, den Auswirkungen hochgeistiger Getränke zu widerstehen, wenn der →Erstflug misslang. Als Ersatz für eine →Auftriebshilfe auf Dauer wenig empfehlenswert, darüber gehen die Meinungen jedoch auseinander. Es scheint hier eine Abhängigkeit davon zu bestehen, wieviel →Abwind eine →Auftriebshilfe erzeugt.
Masse, die.
Meist unerwünschte Ansammlungen von Fett an →Flugmodellbauern, wenn sie zuviel Zeit im →Bastelkeller verbringen. Einzige Abhilfe schaffen hier →Kornfelder.
Modellflugverein, der.
Zusammenschluss Gleichgesinnter, der aus Modellfliegern →Fliegerkollegen werden lässt. Im besten Fall sind 20% der →Fliegerkollegen regelmäßig aktiv auf dem Flugplatz und 80% nur zahlend.
Motor, bürstenloser, der.
Reinigungsgerät, das ein findiger →Flugmodellbauer erfand, um →Abwinden bei →Auftriebshilfen entgegen zu wirken.
Motorsturz, der.
Fehlkonstruierter →Motor, bürstenloser, der für erheblichen →Abwind bei den →Auftriebshilfen sorgt. Auf jeden Fall zu vermeiden.
Neonsonne, die.
Einzige Beleuchtung im →Bastelkeller. Im Gegensatz zur Beleuchtung in Bräunungsstudios sorgen sie für eine sehr helle Hautfarbe des →Flugmodellbauers.
Physik, die.
Eine Naturwissenschaft, deren Gesetze sich von der formvollendeten →Schönheit von →Experimentalflugzeugen in keiner Weise beeindrucken lässt.
Re-Zahl, die.
Zahl zur Demonstration des eigenen Willens. Der Wert ist gleich 1, weil sie vom →Flugmodellbauer bei →Abwind nur ein einziges Mal benutzt werden braucht, um direkt in das →Abwindfeld zu geraten. Ist daher mit äußerster Vorsicht oder bewusst einzusetzen, wenn eine neue →Auftriebshilfe gesucht wird.
Schönheit, die.
Äußere Anmut, die ein →Flugmodellbauer seinem →Experimentalmodell mitgibt. Bei übertriebenem Schönheitssinn besteht die Gefahr, darüber die →Physik zu vernachlässigen.
Schwerpunkt, der.
Der Punkt beim →Erstflug des →Experimentalflugzeugs, an dem der →Flugmodellbauer erkennt, dass die →Physik über die →Schönheit siegen wird.
Streckung, die.
Erste Bewegung des →Flugmodellbauers, nachdem er sich von den Folgen des Genusses hochprozentiger Getränke hat trösten lassen.
Turbulenz, die.
War mit Sicherheit die Ursache für das Misslingen des →Erstfluges. Danach benötigt der Pilot -nicht das Flugmodell- meist eine →Auftriebshilfe.
Unbehagen, das.
Fühlen Flugmodellbauer ganz besonders beim ersten Start ihres →Experimentalflugzeuges in der Magengegend und als Weichheit in den Knien. Geht bei erfolgreichem Erstflug in das jubelnde Hochgefühl über.
Wollmilchsau, eierlegende, die.
Das noch zu erfindende universelle →Experimentalflugmodell, das gleichermaßen Spitzenleistungen im Thermik-, Kunst- und Geschwindigkeitsflug zeigt, sowohl in der Halle als auch bei Sturm auf dem Platz risikolos einsetzbar ist und darüber hinaus an →Schönheit nicht zu übertreffen ist.
Zuschauer, die.
Zaungäste, die dem Treiben auf dem Modellflugplatz gerne zuschauen. Ihre Freude ist am größten, wenn die Schwerkraft erbarmungslos die Flugmodelle der →Flugmodellbauer zerlegt hat. Die am häufigsten gestellte Frage, wenn sie sich ein Flugzeug von Nahem anschauen, lautet: „Wie hoch fliegt der denn?“

Sonntag, 24. Juli 2011

Ein Rollstuhl für die Ente oder Betrachtungen zu deren Weiterentwicklung

Was für den Gehbehinderten der Rollstuhl, ist für ein Flugzeug die Auftriebshilfe zur Verbesserung der Start- und Landeeigenschaften. Speziell in diesem Kapitel geht es um den Einsatz von Strakes am Hauptflügel einer Ente. Für die weiteren Betrachtungen stütze ich mich auf einen Artikel über Strakes aus der Zeitschrift „Modell“, Ausgabe 11/1978.
Sehr gut durch entsprechende Auftriebshilfen lässt sich der Auftriebsbeiwert Ca beeinflussen, nur müssen wir dabei wieder die Besonderheiten eines Entenflugmodells beachten.

  • Im Langsamflug muss die Strömung immer zuerst am Kopfflügel abreißen. Insofern sind hier alle auftriebserhöhenden Maßnahmen mit Vorsicht zu verwenden.
  • Eine Erhöhung des Auftriebs am Hauptflügel bewirkt durch die Druckmittelpunktverschiebung nach hinten im Gegensatz zu einem Normalmodell ein kopflastiges Moment.

Die Anwendung konventioneller Auftriebshilfen wie Klappen oder Vorflügel ist damit auch für den Hauptflügel fragwürdig, weil das kopflastige Moment seiner Auftriebserhöhung ebenfalls durch eine Auftriebserhöhung des Kopfflügels ausgeglichen werden muss, um das Gleichgewicht wieder herzustellen.
Je länger ich also darüber nachdachte, umso mehr Gedanken machte ich mir über den Sinn der Strakes am Hauptflügel und deren Wirkung. Zu diesem Zeitpunkt war das Folgemodell meiner Ente, der Sekato, bereits soweit gediehen, dass es nur noch um die Bespannung vor einer möglichen Anbringung der Strakes ging.
Doch beginnen wir ein wenig mit der Theorie der Strakes. Diese entstanden Anfang der 70er Jahre bei der Entwicklung von Kampfflugzeugen, um den Auftrieb zu steigern ohne gleichzeitig dabei den Widerstand gleichermaßen ansteigen zu lassen.
Es gibt drei Grundformen von Strakes:

Bild 1: Strakes-Grundformen

Eine extrem starke Pfeilung (mindestens 75 Grad) und eine scharfkantige Vorderkante des Strakes sind allen Formen gleich. Die Strakes gehen ohne Kanten oder Sprünge direkt in den Flügel über.
Die Fläche des Strakes sollte 20-35 % der Fläche des dahinter liegenden Flügels betragen. Der Querschnitt kann auf folgende Arten gestaltet werden:

Bild 2: Strakes-Querschnittsformen

Im Modellbaubereich am einfachsten zu realisieren ist die erste Variante A in Verbindung mit einem dreieckigen Grundriss. Wirkungsvoller sollen die Varianten B und C sein, da sie im ersten Fall in den Rumpf eingearbeitet und im zweiten Fall gewölbt sind.
Die Wirkung der Strakes liegt darin, dass die Verbindung aus starker Pfeilung mit einer scharfen Kante bereits bei kleinen Anstellwinkeln zur Bildung eines Wirbels führt, der sich stromabwärts bewegt (Bild 3), deshalb nennt man ihn wahrscheinlich wegen seiner Ähnlichkeit mit den Schultüten von Schulanfängern „Tütenwirbel“. Dieser Wirbel ist äußerst stabil, ab einem Anstellwinkel von etwa 5 Grad entsteht er und löst sich auch bei Anstellwinkeln über 25 Grad von der Oberfläche der Strakes nicht ab.
Am interessantesten für uns Modellbauer ist aber, dass die Strakes Re-Zahl unabhängig sind, d. h. ihr Effekt entsteht auch im Re-Zahl bereich, in dem wir fliegen und ist damit ebenso an unseren Modellflugzeugen nutzbar wie das Bild 4 zeigt.
Bild 3: Wirkungsweise des Strakes, Bildung eines Tütenwirbels


Bild 4: Auftriebserhöhender Effekt der Strakes

Der durch die Strakes entstehende Tütenwirbel verändert das Auftriebs-, Widerstands und Momentenverhalten der Kombination aus Strakes und Flügel.


Bild 5: Gegenüberstellung des Ca/Cw-Verhältnisses beim Normalflügel und einer Strakes-Flügelkombination

Aus dem Bild 5 lässt sich erkennen, dass

  • der Winkel γ des besten Gleitens durch die Strakes kaum verändert wird (die Tangente durch den Nullpunkt ergibt den Winkel des besten Gleitens),
  • die Kombination deutlich höhere Ca-Werte erzielt, das kann im Einzelfall bis zu 60 % sein und
  • mit einem gutmütigen Überziehverhalten auch bei hohen Anstellwinkeln zu rechnen ist.

Man kann also mit Strakes bei gleichbleibender Landegeschwindigkeit mit einer höheren Flächenbelastung fliegen oder umgekehrt bei geringer Flächenbelastung eine Reduzierung der Landegeschwindigkeit erzielen. Der stabile Tütenwirbel lässt auch die Verwendung dünner Profile mit weniger als 10 % Dicke problemlos zu.

Die Autoren des Artikels über Flügel mit Strakes testeten deren Einfluss an einem konventionellen Modell. Der Test führte  zu einer extremen Schwanzlastigkeit, d. h. der Druckmittelpunkt verschob sich deutlich nach vorn, in dem Testmodell erhöhten die Strakes den Auftrieb des Flügels aufgrund von Nachberechnungen um rund 35%.
Wie oben bereits erwähnt, heißt das bezogen auf ein Entenmodell: Da Kopf- und Hauptflügel gleichermaßen Auftrieb erzeugen, um das Flugzeug zu stabilisieren (im Gegensatz zu einer „normalen“ Auslegung, bei der das Höhenleitwerk gegen den Auftrieb des Flügels arbeitet), bedeutet die Auftriebserhöhung durch Strakes am Hauptflügel eine Druckmittelpunktverschiebung nach hinten und somit eine Verlängerung des Hebelarmes für den Kopfflügel oder einfacher gesagt: die Steuerwirkung des Kopfflügels um die Querachse müsste sich zwar verbessern, das Modell aber kopflastig werden!. Umgekehrt würden Strakes am Kopfflügel den Druckmittelpunkt nach vorne wandern lassen, folglich die Steuerwirkung verschlechtern sowie zur Schwanzlastigkeit beitragen. Zusätzlich läuft man in diesem Falle Gefahr, dass die Strömung am Hauptflügel schneller abreißt als am Kopfflügel. In diesem Zusammenhang stellt sich zwar die Frage, welchen Sinn es macht, den Auftrieb am Hauptflügel zu erhöhen, denn wenn die Strömung am Kopfflügel bereits abgerissen ist, ist ohnehin gleichzeitig die Höhenruderwirkung nicht mehr vorhanden, die Ente senkt in so einem Fall immer das Haupt und holt erst einmal erneut Fahrt auf. Was nützt es also, allein die Optik zu verschönern, wenn es keinen wirklichen aerodynamischen Vorteil bringt?
Ich finde, in der Idee stecken trotzdem zwei wichtige und interessante Entwicklungspotentiale:

  1. Der Verschiebung des Druckmittelpunktes muss eine Verschiebung des Schwerpunktes für die Erhaltung der Flugstabilität folgen. Die Verlängerung des Hebelarms verbessert die Höhenruderwirkung und mindert die Kräfte auf das Ruder.
  2. Die Hebelarme der Massenverteilung verlängern sich nach vorn und verkürzen sich nach hinten. Damit könnte es möglich sein, einen Heckantrieb zu realisieren, ohne große Ausgleichsmassen im Frontbereich des Flugzeugs mitschleppen zu müssen. Durch die bessere Wirkung des Kopfflügels könnte dieser sogar verkleinert werden.
Daher wollte ich ebenfalls wissen, ob die theoretischen Überlegungen praktisch nachweisbar waren, denn die Idee, einmal eine Ente mit Heckantrieb zu versehen, faszinierte mich nach wie vor.
Ohne größeren Aufwand betreiben zu müssen, konnte ich durch Ankleben von Strakes an meiner ursprünglichen Ente praktische Versuche durchführen. Ich wählte der Einfachheit halber die Dreiecksform mit einem dreieckigen Querschnitt wie auf Bild 2 in der Form A dargestellt.


Bild 6: Nachträglich angebrachte Strakes an meiner Ente

Doch wie weit müsste der Schwerpunkt nach hinten verschoben werden? Die Autoren hatten sich bei ihrem Test über die tatsächliche Verschiebung des Schwerpunktes, um einen stabilen Flug zu erreichen, ausgeschwiegen. Ich versuchte daher folgenden Weg:
Nach seinen Nachberechnungen erhöhte sich der Auftrieb durch die Strakes um ungefähr 35%. Die Programme, die mir zur Schwerpunktberechnung zur Verfügung standen, waren nicht in der Lage, die Auswirkungen von Strakes zu berücksichtigen.
Die Auftriebserhöhung bei der modifizierten alten Ente simulierte ich durch eine Vergrößerung der Hauptflügelfläche um 25%. Zum einen, indem ich die Spannweite und damit die Streckung stärker erhöhte und andererseits, indem ich die Profiltiefe bei gleichbleibender Spannweite vergrößerte. Der Unterschied zwischen beiden Methoden bewegte sich im Ergebnis bei 8 mm. Ich entschied mich für die Variante der Spannweitenerhöhung. Dadurch musste aber der Schwerpunkt nach diesen Annahmen insgesamt um gut 40 mm nach hinten verschoben werden.
Die Vergrößerung der Flügelfläche entsprach zwar nicht dem Maß der beschriebenen Auftriebssteigerung, doch ging ich diesen Kompromiss ein in der Hoffnung, je nach Wirkungsgrad der Strakes sowohl eine zu starke Verschiebung nach hinten wie nach vorne durch entsprechende Trimmung am Kopfflügel zunächst ausgleichen zu können.
Dort, wo sich in der Mitte des oberen Rumpfes der Regler befand, hatte ich eine abschraubbare Klappe vorgesehen. Der Rumpf war geräumig genug, sodass ich den Akku von vorn dorthin verschieben konnte, so erreichte ich die gewünschte Schwerpunktverschiebung ohne zusätzlichen Ballast.
An einem trüben kalten Morgen am 31.01.2011 war es dann soweit, das Wetter ließ einen Test zu. Mit einem drückenden Gefühl im Bauch gab ich Gas und nach gut 30 Metern hob die Ente ab. Was mir als erstes auffiel, war das starke Steigen bei Vollgas, das ich vorher nicht beobachten konnte. Der verlängerte Hebelarm für den Kopfflügel verstärkte also wie erwartet dessen Auftriebswirkung. Ich drosselte also auf Halbgas und drehte ein paar Gewöhnungsrunden. Das Höhenruder zeigte ebenfalls die erwartet bessere Wirkung, also den Motor ganz abschalten und schauen was passiert, wenn das Höhenruder bis zum Anschlag durchgezogen wird. Ein Abkippen über eine Seite war nach wie vor nicht zu beobachten, allerdings erhöhte sich deutlich die Frequenz des Abkippens nach vorn und wieder Aufrichtens, beim Strömungsabriss am Kopfflügel. Auch das konnte nur auf die Verbesserung des Hebelarms zurückzuführen sein. Selbst der Gleitwinkel verflachte sich und verbesserte die Segelflugeigenschaften. Inzwischen war das Grummeln im Bauch einer Freude gewichen und nach ein paar weiteren Gewöhnungsrunden leitete ich die Landung ein. Dabei erlebte ich die letzte positive Überraschung:
Bislang war es unmöglich gewesen, die Ente zur Landung stark anzustellen, das funktionierte nun. Der finale Bodenkontakt wirkte deshalb richtig elegant.
Alle Überlegungen waren also richtig gewesen. Die Simulation des erhöhten Auftriebs durch die Strakes mittels einer Vergrößerung der Spannweite zur Schwerpunktberechnung hatte ebenfalls gepasst. Somit stand mir ein Instrument zur Verfügung, mit dem ich auch bei meiner Weiterentwicklung, dem Sekato, arbeiten konnte. Wegen der vielen positiven Eigenschaften entschloss ich mich daher, den Sekato ebenfalls mit Strakes auszurüsten.

Freitag, 22. Juli 2011

Aerodramatik oder wie die erste flugfähige Ente entstand

Hinweis: Die nachfolgenden Ausführungen zum Entwurf von Entenflugmodellen stellen keine wissenschaftliche Abhandlung dar und basieren zum größten Teil auf eigenen Erfahrungen und Überlegungen. Insofern wird keine Haftung für deren Richtigkeit übernommen!

Ich stand vor einer großen Herausforderung: Ich wollte gerne selbst ein Entenflugmodell erfolgreich zum Fliegen bringen. Mir war bekannt, dass mit dieser Flugzeugart besondere Leistungen erbracht worden waren, von denen allerdings kaum jemand große Notiz genommen hatte. Und selbst bis heute wurden und werden diese Flugzeugtypen weiterhin eingesetzt, hier ein paar Beispiele:

  • So flogen die Gebrüder Wilbur und Orville Wright am 17. Dezember 1903 auf dem motorisierten Entenflugzeug „Flyer“ und legten damit den Grundstein für die gesamte bemannte Fliegerei.
  • Am 11. Juni 1928 erfolgte der erste bemannte Raketenflug mit dem Segelflugzeug „Ente
  • Das aktuelle europäische Kampfflugzeug Eurofighter
  • Das Mach-3-Experimentalflugzeug North American XB-70 Valkyrie
  • Brandaktuell das erste Tarnkappen-Kampfflugzeug, das in der V.R. China entwickelt wurde, die Chengdu J-20

Meine erste Erkenntnis daraus: Es geht, andere können es doch auch! Vor allem, dass die Gebrüder Wright als Drucker von Lokalzeitungen und einer Fahrradreparaturwerkstatt  mit Ihrem Flyer den Grundstein für unsere heutige Fliegerei legten, schmerzte mich als langjährigem Modellflieger und spornte mich an, selbst tätig zu werden.
Meine Erkenntnis war wichtig, denn ich hatte bereits erste Erfahrungen in meiner Jugendzeit gemacht, als ich noch jung und schön war, jetzt bin ich allerdings nur noch „und“, das soll uns aber an dieser Stelle nicht weiter interessieren:

Angespornt von einem über drei Ausgaben verteilten Artikel der FMT  aus dem Jahr 1979, der sich mit der Auslegung von Entenflugzeugen beschäftigte, beschlossen mein Vater und ich, selbst ein solches Flugzeug zu entwickeln.
Während andere sich bereits in der Sonne bräunten, saßen wir daher vom Frühjahr bis Sommer 1980 in unserem Bastelkeller. Bleich von der Neonsonne bauten wir eine Ente, die richtig gut aussehen sollte, kunstflugfähig sollte sie sein und zudem von zwei Wankelmotoren angetrieben werden.
So viel Extravaganz führte zu einem wirklich elegant aussehenden Flieger, der schon bald Farbe in die Gesichter seiner Erbauer bringen sollte, allerdings anders, als geplant:

Bild 1: Der erste Versuch eines Entenflugmodells

An einem strahlenden Tag im Sommer bei kaum spürbarem Wind, boten sich beste Bedingungen, um ein neues Modell einzufliegen. Mein Vater und ich standen auf dem Modellflugplatz eines befreundeten Vereins, um unsere neue Ente erstmals ihrem Element zu übergeben. Vielleicht zeigten die Götter mit uns ein Einsehen und wollten uns vor neugierigen Fragen schützen. Was auch immer der Grund dafür gewesen sein mag, außer uns Beiden wollte an diesem Tag niemand fliegen, die Hoffnung auf etwas Besonderes hingegen sollte nicht unerfüllt bleiben.
Schon bei den Startversuchen wollte das Teil nicht so richtig abheben. Einen flugzeugähnlichen Rennwagen wollten wir eigentlich nicht entworfen haben. Nach mehreren vergeblichen Versuchen zog ich deshalb sehr beherzt am Höhenruder, fast schon verbog sich der Knüppel und tatsächlich, die Ente hob ab. Was danach folgte, war ein erfolgloser Versuch, ein Flugzeug, das nicht fliegen wollte, zu stabilisieren. Offensichtlich hatte unser Sinn für die Optik viele aerodynamische Besonderheiten missachten lassen. Der Kampf um einen stabilen Geradeausflug endete nach knapp einer Minute mit einem Absturz in einem Kornfeld.
Unsere Neonbleiche wurde noch bleicher; so viel Arbeit in knapp einer Minute vernichtet zu sehen war schon bitter. Jetzt galt es nur noch die Reste zu bergen.
Man sollte meinen, dass ein knallrotes Modell in einem gelbbraunen Kornfeld schnell zu finden sei, also zogen wir in einem Abstand von ein paar Metern parallel durch das Feld. Weit gefehlt, denn zu zweit suchend in einem Kornfeld, erinnerte an den Größenvergleich mit der Kornkammer Russlands, dort, wo die Felder scheinbar bis über den Horizont hinausragen. Wir suchten sprichwörtlich die Nadel im Heuhaufen. Hinzu kam, dass das Korn schon über der Zeit war und die meisten Ähren bereits den Auswirkungen der Schwerkraft gefolgt waren.

„Da steh´ ich nun, ich armer Tor
und bin so klug als wie zuvor!“

Treffender hätte Goethes Faust unsere Situation nach über einer Stunde vergeblichen Suchens nicht darstellen können. Woher wusste er eigentlich damals von unseren aktuellen Problemen? Na, ja, besonders genial konnte er nicht gewesen sein, denn eine Lösung blieb er uns schuldig. Wir verließen daher die Vergangenheit und glaubten den Stein der Weisen in der Gegenwart gefunden zu haben: "Wenn man das Feld aus der Luft betrachten könnte, sollte das eigentlich helfen.", meinte mein Vater.
Nur wenige Kilometer entfernt gab es einen Sportflugplatz. Also entschlossen wir uns, mit einem Sportflugzeug zu suchen. Mein Vater blieb auf dem Boden und ich selbst sollte aus der Luft Ausschau halten. Eines hatten wir dabei aber nicht bedacht: Ich war nicht schwindelfrei. Schon seit frühester Kindheit vertrug ich kein Drehen, Karussels erzeugten bei mir regelmäßig Anfälle von Übelkeit, so dass ich es irgendwann ganz ließ. Und nun sollte ich in engen bodennahen Kreisen aus einem Flugzeug heraus einen roten Fleck in einem bräunlichgelben Feld ausfindig machen?!
Es kam, wie es kommen musste: Ich fand den roten Fleck nicht, mein Magen begann zu rebellieren und drohte, mir das Essen nochmals durch den Kopf gehen zu lassen, um alte Bekannte wiederzusehen. Es blieb nichts anderes übrig, als die Aktion abzublasen. Der Pilot, glücklich darüber, sein Flugzeug sauber gehalten zu haben und mein Magen dankten es ihm, käseweiß entstieg ich der Maschine, froh, wieder festen Boden unter den Füssen zu spüren.
Am nächsten Tag durchkämmten wir das Kornfeld nochmals. Wie lange wir gesucht haben, weiß ich nicht mehr, aber irgendwann fanden wir die Reste der Ente dann doch noch: Offensichtlich war sie recht flach eingeschlagen, denn das umgestürzte Korn hatte sich darüber gelegt. Kein Wunder also, dass das Modell selbst aus der Luft verborgen blieb.
Glücklich, die Werte schließlich gegen die Widrigkeiten geborgen zu haben, kehrten wir nach Hause zurück. Unsere Hoffnung in das Projekt "Ente" war irgendwie in die falsche Richtung gelaufen, Ehrgeiz und Mut zu weiteren Versuchen und einer Problemanalyse hatten uns verlassen, für die nächsten 16 Jahre starteten wir keinen weiteren Anlauf mehr.
Der Wunsch nach einem erfolgreichen Versuch zur dauerhaften fliegerischen Verwendung eines Entenflugmodells spukte noch immer in meinem Kopf herum und so wagte ich einen zweiten Versuch:



Bild 2: Zweites Entenflugmodell „Mäuschen“

Der Kopf- und Hauptflügel waren in konventioneller Rippenbauweise ausgelegt. Vorn kam ein verdünntes Clark Y-Profil zum Einsatz und hinten ein 18% vollsymmetrisches NACA-Profil. Der Canard wies eine Anstellwinkeldifferenz von 3 Grad gegenüber dem Hauptflügel auf. Der Wankelmotor war mit 3 Grad Sturz und 2 Grad Seitenzug am Rumpf befestigt. Die Spannweite betrug ungefähr 1,30 m. Die Verbindung zwischen den Flügeln bestand aus Alurohr. Den Namen „Mäuschen“ erhielt der Flieger wegen des Spitznamens von meiner damaliger Freundin. Entsprechend war der Flügel an den Stellen, an denen normalerweise die Hoheitszeichen angebracht sind, mit zwei Mausaufklebern von Uli Stein verziert.
Doch auch diesmal blieb der gewünschte Erfolg aus. Wieder wollte die Ente nicht den Boden verlassen. Allerdings fiel mir ein kleiner Hoppser auf, als ich einen Startversuch wegen des Pistenendes abbrechen musste. Damit war leider auch dieser Versuch gescheitert. Hätte ich gewusst, wie nahe ich bereits meinem Ziel war und meinen Verstand früher eingesetzt, hätte ich bereits mit dieser Ente Erfolg haben können. Doch davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt nichts und so beförderte ich den Flieger nach und nach in die Rundablage.
Wie sagte der berühmte Philosoph Immanuel Kant bereits im 18. Jahrhundert: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Klingt einfach, ist es prinzipiell auch, man muss es nur tun. Bei manchen Menschen geht das schneller, bei anderen dauert es allerdings etwas länger und manch einer kommt nie so weit, letztere darf man ruhigen Gewissens als beratungsresistent bezeichnen.
Da ich Gott sei dank nicht zu Letzteren gehörte, gingen weitere 14 Jahre ins Land bis mein Verstand klar genug wurde, um mich der Herausforderung Ente erneut zu stellen. Diesmal begann ich zunächst tatsächlich meine geistigen Fähigkeiten  zu nutzen:
Offensichtlich gibt es wichtige Grundvoraussetzungen, die bei der Konzeption einer Ente zu beachten sind, dachte ich mir und setzte nun zum ersten Mal meinen Verstand richtig ein, um mir Gedanken über die Misserfolge zu machen.
Wie sehen die Verhältnisse bei einem „normalen Flugzeug“ aus:



Bild 3: Auftriebsverhältnisse an einem normalen Flugzeug

Normalerweise erzeugt der Flügel Auftrieb. Soll das Modell steigen, so muss das hinten liegende Leitwerk Abtrieb erzeugen und umgekehrt. Flügel und Leitwerk arbeiten also gegeneinander, wenn eine Bewegung um die Querachse erfolgen soll.
Drehen wir das Modell nun in Gedanken um. Kann das so funktionieren? Nach Ente sieht das zwar schon aus, funktioniert aber nicht, weil der Motor sich falsch herum dreht, die Ruder auf der verkehrten Seite sitzen und das Seitenleitwerk vorne ist. Also tauschen wir ganz einfach den Flügel gegen das Höhenleitwerk aus. Genau, so wird daraus ein Schuh, äh, eine Ente.
Ich überlegte weiter: Macht es Sinn, wenn nun der Kopfflügel allein Auftrieb erzeugt und der Hauptflügel Abtrieb? Nein, diese Kräfte wären zu gering, ein Flugzeug zu tragen, so könnte es also nicht funktionieren. Dass der Kopfflügel wie bei einem normalen Flugzeug Abtrieb erzeugt, macht ebenfalls keinen Sinn, denn wir wollen keinen Flieger mit einem Gleitwinkel eins zu platsch, folglich müssen für einen stabilen Flug beide Flügel Auftrieb erzeugen:


Bild 4: Auftriebsverhältnisse bei einer Ente

Und noch ein Weiteres ist besonders wichtig: Die Strömung muss immer zuerst am Kopfflügel abreißen, nie umgekehrt, weil es sonst zu unkontrollierbaren Flugzuständen kommen kann, genau genommen ist sie dann überhaupt nicht stabil flugfähig. Messerscharf folgte ich daraus, dass der Kopfflügel gegenüber dem Hauptflügel stärker angestellt sein muss, um das zu gewährleisten und auch die Profilauswahl muss dem Rechnung tragen. Die Anstellwinkeldifferenz müsste bei Seglern wegen der geringeren Grundgeschwindigkeit höher und bei schnelleren Modellen geringer ausfallen:


Bild 5: Erforderliche Anstellwinkeldifferenz bei der Ente

Damit also eine Ente in den Steigflug geht, hat das Ruder am Kopfflügel nach unten auszuschlagen, um den Auftrieb zu erhöhen. Umgekehrt verhält es sich beim Sinkflug.
„Mensch, klasse!“, dachte ich, damit habe ich ja die wichtigsten Punkte geklärt, aber halt, wohin gehört der Schwerpunkt damit die Ente stabil fliegt? Leider funktioniert hier nicht immer exakt die Übertragung des Flächenverhältnisses von Kopf- zu Hauptflügel bezogen auf den Abstand der Druckmittelpunkte der Einzelflügel, denn es spielen noch weitere Faktoren eine Rolle. So wird wegen der Anstellung der Kopfflügel einen höheren Auftriebsbeiwert haben als der Hauptflügel, außerdem hat die Streckung einen zusätzlichen Einfluss auf den Auftrieb. Hier sollte man sich ein kostenloses Schwerpunktberechnungsprogramm aus dem Internet ziehen, das auch für Entenflugmodelle geeignet ist, wie z. B. Winlaengs. Die Berechnungsergebnisse lieferten genügend genaue Angaben, die bei der „Ente“ (siehe Blogl „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste) und dem „Sekato“ (siehe Blog „Sekato, vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan“) verwendet wurden.
Mit diesen Erkenntnissen begann ich nun die Ursachen der Misserfolge zu suchen, denn diese müssten sich jetzt klären lassen:

Bei der ersten Ente gab es keine Einstellwinkeldifferenz und die verwendeten Profile waren sämtlich symmetrisch, weil der Flieger kunstflugtauglich sein sollte. Das war der erste und entscheidende Fehler, denn so trug der Kopfflügel nicht ausreichend zum Auftrieb bei. Außerdem gibt es keine eierlegende Wollmilchsau. Wenn ein reinrassiges Kunstflugmodell gewünscht ist, sollte man also lieber zu einer konventionellen Konstruktion greifen.
Die fehlende Anstellung des Kopfflügels erklärte das Verhalten ähnlich einem Rennwagen beim Beschleunigen in Verbindung mit der Faulheit, abheben zu wollen. Erst der Vollausschlag des Höhenruders reichte offensichtlich aus, zumindest zum Abheben genügend Auftrieb am Kopfflügel zu erzeugen. Wahrscheinlich befand sich dadurch das Profil auch an der Grenze seiner Auftriebsfähigkeit, was wohl das anschließende katastrophale Flugverhalten erklärte. Aber es musste noch eine weitere Ursache geben. Ich betrachtete daher meine zweite Konstruktion: Die Anstellwinkeldifferenz war gegeben und das Modell wollte Abheben, als der Motor gedrosselt wurde. Das ist eigentlich widersprüchlich. Wie ist das zu erklären? Ganz einfach: der Motorsturz arbeitete gegen den Auftrieb des Kopfflügels! Als der Motor gedrosselt wurde, hatte das Modell noch ausreichend Fahrt und der Kopfflügel erzeugte genügend Auftrieb zum Abheben, der Motor war gedrosselt und arbeitete nicht mehr dagegen.
Wie gesagt, hätte ich meinen Verstand früher benutzt und den Motorsturz reduziert, wäre mein „Mäuschen“ mit Sicherheit flugfähig gewesen. Schade eigentlich, aber nun war es nicht mehr zu ändern. Der zu starke Motorsturz dürfte ein weiteres Problem auch bei der ersten Ente gewesen sein: Die beiden Motoren arbeiteten zusätzlich gegen den Kopfflügel, an dem wahrscheinlich ständig die Strömung abriss. Ein kontrollierter Geradeausflug war so natürlich nicht möglich.
Haben wir nun alle Ursachen für Probleme mit Entenflugzeugen beleuchtet? Ganz gewiss nicht, das wahre Leben schreibt halt die besten Geschichten, wie ein Beitrag zeigt, den ich ebenfalls einer alten Zeitschrift entnommen habe, denn er weist auf eine weitere wichtiges Eigenschaft von Entenflugzeugen hin (man könnte fast meinen, wir hätten es hier mit extrem eitlen Diven zu tun, aber physikalische Gesetze trotzen nun einmal jeglicher Eitelkeit).

Der Autor berichtet von einer Eigenbau-Seglerente, bei der der Kopfflügel ebenso wie der Hauptflügel. Seine Gedanken waren kurz zusammengefasst folgende:

  • Die Aufgabe der Stabilisieurng um die Hochachse sollte statt der hinteren Seitenflosse die projizierte Fläche des Hauptflügels durch die V-Form übernehmen.
  • Der fordere Canard übernahm über einen mechanischen Mixer sowohl die Funktion des Höhenruders als auch die der Rollsteuerung durch Querruder.

Der Autor klagte über unkontrollierbare Probleme mit der Richtungsstabilität, die sich erst besserten, nachdem er am Hauptflügel nachträglich zwei Seitenflossen angebracht hatte. Trotz allem neigte die Ente weiterhin zum Ausbrechen, weshalb er vermutete, es könnte an der V-Form des Kopfflügels liegen. Ob und wie die Geschichte weiterging, bleibt im Dunkel der Vergangenheit verborgen. Leider fehlen dem Beitrag auch viele technische Daten, sodass die Suche nach den Ursachen nur unvollständig vorgenommen werden kann.
Greifen wir trotzdem unseren schlauen Philosophen Kant wieder auf, als aufmerksamer Leser macht uns eins bereits stutzig: die kombinierte Steuerung für Höhen- und Querruder am Kopfflügel. Denn wir wissen, dass die Strömung am Kopfflügel zuerst abreißen muss. Der Autor wollte mit dieser Anordnung das schöne Epplerprofil am Hauptflügel nicht durch Ruder verschandeln und hat sich damit gleichzeitig der Kontrollmöglichkeit um die Längsachse im Langsamflug beraubt, wenn die Strömung am Kopfflügel bereits abgerissen ist. So geht es also nicht, Schönheit beeindruckt in keiner Weise die Physik, wie ich es bereits mit meiner ersten Ente schmerzlich erfahren musste. Hinzu kommen wegen der geringen Spannweite des Kopfflügels die geringen Drehmomente, die die kurzen Ruder erzeugen, immerhin wartet hinten noch ein weitaus größerer Flügel samt dessen Masse, die mitbewegt werden wollen!
Damit kommen wir zum Kernproblem: Schauen wir zur Abwechslung mal nicht auf die hübsche Silhouette unserer Frau oder Freundin und betrachten die Seitenansichten eines normalen Flugzeugs und einer Ente genauer:


Bild 6: Flächenverhältnis in der Seitenansicht eines normalen Flugmodells

Die Seitenfläche vor dem Druckmittelpunkt ist bei einem normalen Flugzeug deutlich geringer als dahinter. Das ist ein wichtiger Garant für die Stabilität um die Hochachse. Wer das nicht glaubt, sollte sich folgende Aufsichten einmal genauer anschauen:


Bild 7: Unterschiedliche Bewegungsrichtung bei Lage des Seitenleitwerks vor und hinter dem Druckmittelpunkt

Liegt der größte Teil der Seitenfläche vor dem Druckmittelpunkt, so bewirkt ein Ausschlag nach links wegen des entstehenden Moments eine Bewegung nach rechts, umgekehrt verhält es sich, wenn der Hauptteil der Seitenfläche hinter dem Druckmittelpunkt liegt.
Nun bewegt sich ein Flugzeug ja bekanntermaßen in der Luft und diese ist durchaus nicht immer reglos. Man stelle sich nun eine arglistige Windböe vor, die den gleichen Effekt erzeugt, wie ein entsprechender Seitenruderausschlag. Im ersten Fall wird das Flugzeug destabilisiert und zum Ausbrechen neigen, als schlimmste Folge schließen sich längere einsame Abende in der Werkstatt an. Liegt das Seitenleitwerk hinter dem Druckmittelpunkt, wird das Flugzeug zunächst nach links ausscheren, aber nach dem Abflauen des Windes selbst wieder in die Normallage zurückkehren. Einfach gesagt haben wir es einmal mit einem labilen und im anderen Fall mit einem stabilen System zu tun, der auch Windfahneneffekt genannt wird.
Schauen wir uns nun die Flächenaufteilung bei einer Ente an:



Bild 8: Flächenverhältnis in der Seitenansicht eines Entenflugmodells

Auf den ersten Blick erkennt der Leser, dass durch den nach hinten verschobenen Druckmittelpunkt sich mehr Fläche davor befindet als bei einem normalen Flugzeug. Es bedarf nun nicht mehr viel Fantasie um zu erkennen, dass sich so sehr schnell die Situation einer Verteilung der Seitenfläche hin zu labilen Flugverhältnissen ergeben kann.
Kehren wir also noch einmal kurz zu der oben beschriebenen Ente zurück. Anfangs fehlten die Seitenleitwerke am Hauptflügel, somit war eindeutig mehr Fläche vor dem Druckmittelpunkt als dahinter. Das konnte nicht gut gehen!
Die nachträglich angebrachten Seitenleitwerke verbesserten zwar das Flächenverhältnis, doch gab die V-Form des Kopfflügels der vorbei fließenden Luft nach wie zuvor genügend Angriffsfläche, um das Modell aus der Bahn zu werfen. Herr Kuckenburg vermutete also richtig, die Ursache für das instabile Verhalten läge nach wie vor in der V-Form des Canards begründet. Sofern er die Voraussetzung der Anstellwinkeldifferenz beachtet hat, wäre ein Ersatz des Leitwerks gegen ein solches mit zumindest geringerer V-Form wahrscheinlich die Lösung seines Problems gewesen. Leider fehlte ihm an dieser Stelle wohl auch der Mut, das auszuprobieren.
Eine geringe V-Form scheint offensichtlich bei Seglerenten empfehlenswert zu sein, wenn im vorderen Bereich zur Verminderung des Luftwiderstands auf Rumpfseitenfläche verzichtet wird.
Ich schaute noch einmal auf mein Mäuschen und ärgerte mich ein Loch in den Bauch: Die geringe Seitenfläche vor dem Druckmittelpunkt in Verbindung mit den zwei Seitenleitwerken an der Hinterkante des Hauptflügels hatte ich mit den Alurohren, die den Kopfflügel hielten, realisiert. Beruhigend zumindest für mich, hier mal etwas intuitiv richtig gemacht zu haben.
Für uns Fastprofis bedeutet das nochmals ganz langsam zum Mitmeißeln: möglichst viel Seitenfläche im hinteren Bereich schaffen, entweder durch ein besonders großen Seitenleitwerk oder, noch besser, durch zwei kleinere an den Außenenden des Hauptflügels, die zudem noch die Umströmungsverluste vermindern.
Was glaubst Du, spielt die Anordnung des Kopfflügels über, unter oder auf gleicher Höhe zum Hauptflügel eine Rolle? Was für eine Frage! Wer so fragt, der weiß natürlich, da sollte man vielleicht auch auf etwas achten. Sehen wir also mal etwas genauer hin.
Betrachten wir zunächst, was passieren kann, wenn am Leitwerk die Strömung abreißt:


Bild 9: Verlauf der Turbulenzen wenn Kopf- und Hauptflügel auf gleicher Höhe liegen oder der Kopfflügel tiefer liegt

Wenn Kopf- und Hauptflügel auf gleicher Höhe liegen oder der Kopfflügel tiefer als der Hauptflügel liegt, gerät bei einem Strömungsabriss am Kopfflügel der Hauptflügel ebenfalls in die Turbulenzen der abgerissenen Strömung. Das sollte vermieden werden, indem man den Kopfflügel höher als den Hauptflügel setzt:


Bild 10: Verlauf der Turbulenzen wenn der Kopfflügel höher liegt als der Hauptflügel.

In diesem Falle treffen die Turbulenzen nicht auf den Hauptflügel, die Strömung dort bleibt erhalten. Wie gewünscht wird die Ente ihr Haupt demütig senken, Fahrt aufholen und die Strömung liegt auch am Kopfflügel wieder an.
Kein Vorteil ohne Nachteil; was auf der einen Seite gut ist, muss es auf einer anderen nicht zwangsläufig auch sein. Denn dummerweise hat diese Anordnung einen Nachteil bei intakten Strömungsverhältnissen: Der Hauptflügel liegt so genau im Abwindfeld des Kopfflügels. Dies sollte man bei Segelflugzeugen als Entenkonzept berücksichtigen. Wer möchte schon gerne Leistung verschenken?
Abhilfe schafft hier eine geometrische Verwindung (fälschlicherweise auch Schränkung genannt), indem man den Hauptflügel im Bereich der Spannweite des Kopfflügels um zwei bis drei Grad stärker anstellt und diese Anstellung außerhalb wieder zurücknimmt:


Bild 11: Verwindungsbereich bei Seglerenten

Als Alternative bliebe sonst nur die ungünstigere Anordnung des tiefer liegenden Kopfflügels zu wählen.

So wie es aussieht, bleibt zunächst noch eine Frage zu klären: Wie groß sollte die Fläche des Kopfflügels im Verhältnis zum Hauptflügel sein?
Empfohlen wird eine Flächengröße von mindestens 16% bis 33% der Fläche des Hauptflügels. Bei meinen praktischen Versuchen bin ich mit dem Kopfflügel im obersten Bereich am besten gefahren, äh geflogen.

Ich fühlte mich nun genügend gestärkt, die neue Herausforderung anzunehmen und einen dritten Versuch zu wagen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten nun ausreichen, nicht nur erfolgreich eine Ente in die Luft zu bringen sondern sie auch kontrolliert wieder heil am Boden ankommen zu lassen


Dienstag, 19. Juli 2011

Der Militärfan


Karikatur von Klaus Heilmann, http://www.kunstmalstudio.de/

Unter all den auffälligen Originalen zählt er zu den einprägsamsten: der Militärfan. Seine Ankunft fällt bereits durch seinen Wagen auf, meist ein alter Jeep, Kübelwagen oder ein ähnlich geartetes Gefährt militärischen Ursprungs, natürlich in der originalen Tarnbemalung begleitet von derber Marschmusik, die aus seinem Innern stampft. Dem Wagen entsteigt eine muskulöse drahtige Erscheinung, die man jedoch wegen des Tarnanzuges, der Springerstiefel und des durch schwarze Schminke verschmierten Gesichts nur schwer vor dem Hintergrund der Umgebung wahrnehmen kann. Lediglich ein kleiner unbedeckter Teil seines gestählten Astralleibes lässt ihn erkennen, denn gleichgültig, wie warm oder kalt es ist, trägt er ein den Oberkörper und den Bizeps hervorhebendes Muskel-T-Shirt, auch dieses, wie der Rest seiner Kleidung, selbstverständlich in Tarnfarben. Seine Hose ist kerzengerade mit einer Bügelfalte versehen. Damit diese selbst im harten Kampfeinsatz dauerhaft bleibt, wurde sie wohl auf einer Nähmaschine mit einem Kreuzstich verstärkt. Auf seinen Oberarmen prangen Totenschädel, die einen Stahlhelm tragen, darüber steht jeweils unübersehbar der Spruch „Born to kill!“ Mit einem MG unter dem Arm und einem braunen Band um den Kopf würde Rambo vor Neid erblassen.
Als wäre seine Erscheinung nicht bereits grotesk genug, ertönt aus seinem Mund aber keine tiefe Stimme, sondern etwas völlig anderes. Wahrscheinlich gibt es kaum jemanden, der das Theaterstück von Freddie Frinton „Dinner for one“ nicht mindestens einmal im Leben gesehen hat. Statt der durchdringenden Stimme des Admiral Bon Snyder stelle man sich nun die hohe Fistelstimme des Mister Pommeroy vor.
„Guten Tag Kameraden“ ist die Begrüßung, die mit ohrenbetäubender Stimme über den Platz piepst.
„Wer ist denn hier der Flugleiter und wo finde ich ihn?“
„Ich bin der Flugleiter“, antwortet eine Stimme aus dem Hintergrund.
Im Stechschritt nimmt er nun Kurs auf den Verantwortlichen, baut sich vor ihm in Grundstellung auf und fragt: „Wetter ist prima, wollte mal wieder ein paar Flugrunden drehen, geht das in Ordnung?“
Während bei diesen Worten die ersten Fliegerkollegen zusammenzucken, antwortet der Flugleiter: „Na klar, trag Dich hier einfach in das Flugbuch ein, dann kannste loslegen.“
Begleitet von einem gepiepsten „Jawoll!“ trägt er sich nun mit dem Kugelschreiber im Tarndesign ein.
Von jetzt an bewegt er sich nur noch im Laufschritt. Als nächstes holt er seinen Klappspaten und hebt an der Stelle, wo seine Flieger stehen sollen, zunächst ein Loch aus. Der zusammensteckbare Fahnenmast wird darin verankert und ein CD-Spieler daneben gestellt. Auf beiden ausgestreckten Armen wird nun die Deutschlandfahne geholt, dem Abspielgerät die deutsche Nationalhymne entlockt und dabei mit allen militärischen Ehren die Fahne gehisst. Für den Fall, dass zu wenig Wind die Fahne von dem Entfalten abhält, ist ein kleiner 12 Volt Kompressor vorgesehen, der ständig für genügend Luftströmung sorgt. Der Abstellplatz wird abschließend mit S-Draht gesichert, ein Schild warnt ungewünschte Eindringlinge wie auch bei einer Kaserne vor den Konsequenzen:


Militärischer Sicherheitsbereich!
Unbefugtes Betreten verboten!
Vorsicht Schußwaffengebrauch!

Innerhalb des Sicherheitsbereiches baut er kleine Zinnsoldaten martialisch mit Gewehr im Anschlag als Wachen auf. Zur Sicherung des Luftraumes entstehen zunächst rund um den Abstellplatz mehrere Flugabwehrraketenstellungen zur Abwehr niedrig und hoch anfliegender feindlicher Flugkörper und Bomber. Es folgt eine Kommandozentrale für die Koordinierung der Lufteinsätze und Luftabwehr-maßnahmen. Hier finden wir auch einen provisorischen militärischen Abschirmdienst sowie eine Aufklärungseinheit, die letztlich dem Schutz der inneren soldatischen Einsatzbereitschaft dienen. Die Kommandozentrale darf natürlich ebenso wenig ungeschützt bleiben und wird daher durch einen kompletten Sicherungszug bewacht. Ein Waffen- und Materialdepot, eine Fahrbereitschaft mit PKW- und LKW-Fuhrpark, nicht zu vergessen eine komplette Fernmeldeeinheit, um die Verbindung untereinander und zu übergeordneten Dienststellen zu halten sowie eine Ausbildungseinheit, in der die neuen Rekruten für die speziellen Anforderungen zum Schutz des Luftraumes ausgebildet werden, runden diese gesamte militärische Einrichtung ab. Etwas abseits Richtung neun Uhr entsteht aus Gründen der Dezentralisierung eine Instandsetzungseinheit, dort befindet sich auch das Abwehrbatallion für atomare, biologische und chemische Kampfstoffe (kurz : „ABC- Abwehreinheit“). Richtung drei Uhr ebenfalls dezentralisiert entsteht die Luftwaffenwerft. Hier ist der Koordinierungsstab stationiert, der im Frieden die Verbindung zum Bundesverteidigungsministerium und im Verteidigungsfall zum Bundeskanzler sowie den Natodienststellen hält.
Erst nach diesen sorgfältigen Sicherungsmaßnahmen beginnen die eigentlichen Flugvorbereitungen. Aus seinem Wagen entnimmt er zwei selbstgebaute detailgetreue Warbirds, keine Frage, dass als Ursprungsland nur ehemalige deutsche Flugzeuge zum Einsatz kommen: eine ME 109 und eine FW 190. Auf den Rumpfseiten prangen jeweils fünf Kreuze für gelungene Abschüsse. Lediglich das deutsche Waffenrecht hielt ihn davon ab, die eingebauten MG´s und abwerfbaren Bomben funktionsfähig zu machen. So imitieren leider nur Frequenzgeneratoren die Geräusche der hämmernden Maschinengewehre und der beim Einschlag explodierenden Sprengkörper.
Nach den erfolgreich abgeschlossenen Startvorbereitungen baut er sich innerhalb seines Sicherheitsbereiches auf und verliest die militärische Lage:
„Rotland hat unmittelbar an den Grenzen zu Blauland massive motorisierte Verbände aufgefahren. Erste Sabotageakte im grenznahen Blaulandgebiet wurden bereits festgestellt und nehmen zu, es ist mit dem unmittelbaren Ausbruch von gewaltsamen Militäraktionen und Fliegerangriffen zu rechnen. Als Sofortmaßnahme ist die unmittelbare Mobilmachung durchzuführen, das heißt für unseren Kampfverband, die Herstellung der Abwehrbereitschaft eindringender feindlicher Kampfflieger.“
Bei diesen Worten zucken weitere Fliegerkollegen zusammen und die ersten Verziehen sich bereits in die Büsche zur plötzlichen Verrichtung der Notdurft, denn aus ähnlichen Auftritten wissen sie bereits, was nun auf sie zukommt.
Unser Militärfan verlässt seinen Sicherheitsbereich, tritt in die Mitte des Abstellbereiches und verkündet: „Kameraden, ihr habt es gehört, kriegerische Handlungen stehen unmittelbar bevor. Möchte ein Lufkampfszenario üben, wer will dabei mitmachen?“
„Du, Wilhelm, lass mal, mein Motor will heute nicht laufen…“
„Das Einziehfahrwerk von meinem Modell klemmt…“
„Ich habe vergessen, die Akkus zu laden…“
„Das Querruderservo ist ausgefallen…“
Solche und ähnliche Antworten der wenigen noch anzutreffenden Fliegerkollegen beeindrucken Wilhelm wenig: „Kameraden, die Lage ist wirklich ernst, sollten immer auf einen Angriff vorbereitet sein, also wer wagt es?“
Ein noch junges Vereinsmitglied und pfiffiger Heißsporn erklärt sich trotz der zugeraunten Warnungen bereit, sich auf einen Luftkampf einzulassen. Als wenn er es geahnt hätte, hat er passenderweise heute seine Spitfire dabei.
„Vielleicht hat er ja Glück“, denken diejenigen bei sich, die in der Vergangenheit eine solche Herausforderung bereits einmal angenommen haben, „er ist ja recht flink mit seinem Flieger, riskiert auch bei Maximalgeschwindigkeit niedrigste Vorbeiflüge und beherrscht auch ansonsten sein Modell“.
Nur mit wenigen Metern Abstand voneinander starten unsere beiden Kontrahenten und kaum in der Luft beginnt eine wilde Verfolgungsjagd. Immelmann-Turn, Wegtauchen nach unten nach oben, links und rechts, direkter Angriff durch Kollisionskurs, verwegener und spektakulärer konnte ein Luftkampf kaum sein. Doch nach ca. 10 Minuten endet dieser wegen leerer Tanks unentschieden.
„Gut gekämpft, aber wollen wir die Entscheidung?“ fragt Wilhelm nach der Landung seinen jungen James E. Johnson (Anmerkung: James E. Johnson war der erfolgreichste Jagdflieger der RAF während des zweiten Weltkrieges mit 36 bestätigten Abschüssen).
„Na klar, und diesmal zeige ich dir, wo der Frosch die Locken hat!“
Auf diesem Stand kehren beide zum Auftanken zu ihren Abstellplätzen zurück. Wilhelm gibt inzwischen die neue Lage bekannt: „Dem Eindringen feindlicher Luftkräfte konnte begegnet werden, es gelang jedoch nur kurzzeitig, eine Luftüberlegenheit zu erkämpfen. Weitere gegnerische Angriffe sind jedoch zu befürchten. Ziel zukünftiger Operationen muss die Erringung der Luftherrschaft sein, die sofortige Einsatzbereitschaft wird daher weiterhin aufrecht erhalten.“
Unser junges Fliegerass hört noch immer nicht auf die Warnungen seiner Fliegerkollegen.
„Ich hätte ihn fast gehabt, beim nächsten Mal werde ich erfolgreich sein.“
Bevor die beiden Kontrahenten wieder an den Start gehen, greifen sie zur psychologischen Kriegsführung. Wie vor einem Boxkampf stehen sie sich gegenüber und blicken sich gegenseitig in die Augen. Da unser Wilhelm etwas kleiner geraten ist, kommt er nicht umhin, sich dazu auf seinen tragbaren Feldherrnhügel zu stellen. Starren Blickes mustern sie sich, den Atem des Gegners unmittelbar vor der Nase, die Spannung zwischen den beiden ist fast spürbar, unüberhörbar ist das Knirschen der zermalmenden Zähne.
Nach wenigen Stunden mischt sich der Flugleiter ein: „Ich möchte ja nicht unhöflich erscheinen, aber wenn ihr so weiter macht, werdet ihr von unbemerkt eindringenden feindlichen Angreifern überrollt werden.“
Da das keiner der beiden Kontrahenten zulassen möchte, stehen die zwei Luftkämpfer kurze Zeit später in der gleichen Startposition wie zu Beginn.
Die Gashebel werden nach vorne gestoßen. Sofort jaulen die Motoren auf und die Maschinen beschleunigen, binnen Sekunden befinden sich beide Kampfflugzeuge wieder in der Luft.
Auch der letzte Fliegerkollege hat nun seine Notdurft verrichtet und gemeinsam beobachten alle das Treiben am Himmel.
Wilhelm ist nun zur Kamikaze-Taktik übergegangen und versucht durch einen gezielten Zusammenprall, die Entscheidung zu erzwingen. Plötzlich hängen beide Maschinen in einem senkrechten Steigflug kurz aneinander, unser junger Johnson verliert seine Kabinenhaube und der Motor seiner Spitfire bleibt stehen. Das ist die Gelegenheit für Wilhelm, die Luftherrschaft scheint in greifbarer Nähe zu sein, doch seine ME 109 ist wohl auch getroffen worden, denn irgendetwas stimmt mit dem Flügel nicht. Dessen ungeachtet holt Wilhelm trotzdem weit aus und lässt seine Maschine aus größerer Höhe auf die segelnde Spitfire stürzen, die Kollision ist kaum noch zu vermeiden. Aber dazu kommt es nicht mehr, denn plötzlich reißt der Flügel der ME 109 ab und wie ein Geschoß beschleunigt der Rumpf durch den immer lauter heulenden Motor und schlägt senkrecht in den Boden ein, kurze Zeit später gefolgt vom Flügel, der sich fröhlich drehend und schwankend etwas mehr Zeit gelassen hat. Währenddessen bringt unser junger James E. Johnson seine angeschlagene Spitfire unter dem tosenden Applaus seiner Fliegerkollegen sicher wieder nach Hause. Er und seine Spitfire werden auf Händen getragen zum Startplatz zurückgebracht. 

Hingegen ist unser einst so stolzer Wilhelm nun zu einem Wilhelmchen zusammen-geschrumpft, kleinlaut sammelt er die zum Teil pulverisierten Reste seiner ME 109 ein, dabei gibt er piepsend die letzte Lage bekannt:
„Die feindlichen Luftstreitkräfte haben uns durch massive Angriffe schwere Verluste zugefügt. Vorrangiges Ziel muss es nun sein, durch Friedensverhanglungen weitere Zerstörungen im Rahmen zu halten und den Bestand der eigenen Jagdflugzeuge wieder aufzubauen.“
Und während Wilhelmchen mühsam versucht, die Etikette zu wahren, indem er noch mit allen militärischen Ehren die Deutschlandfahne wieder einholt, seinen militärischen Sicherheitsbereich auflöst sowie die Reste in seinen Wagen verfrachtet, malt unser junger James E. Johnson stolz und mit großer Sorgfalt sein erstes Kreuz auf seine Spitfire