Sonntag, 2. Dezember 2012

Wer fliegt denn da? Heute: Der Argusadler

Karikatur von Klaus Heilmann, www.kunstmalstudio.de
„Hier, ich kann es euch zeigen, schaut genau hin! Mein Messschieber hat an dieser Stelle eine Graslänge von exakt 30,6 mm festgestellt. Wie soll ich denn da gefahrlos fliegen können? Und überhaupt, der herumliegende Grasschnitt bleibt an den Luftschrauben hängen, die darf ich dann auf eigene Kosten wieder von dem Grün säubern. So geht das nicht! Wofür zahle ich eigentlich meine horrenden Mitgliedsbeiträge?“
Wieder einmal hat einer der unangenehmsten Modellfliegerkollegen dazu beigetragen, dass das Klima auf dem Platz erheblich aufgemischt wurde und damit sowohl beim Vorstand, dem Flugleiter und dem Platzwart für helle Aufregung gesorgt: Der Argusadler!
Sofern seine Anfahrt rechtzeitig bemerkt wird, beginnt ein emsiges Treiben: Herumliegende Zigarettenkippen werden aufgesammelt, die Vereinshütte nochmals auf Sauberkeit kontrolliert, Stühle und Tische mit dem Zentimetermaß ausgerichtet, der Windsack von außen und innen gereinigt, usw.. Doch vergeblich, und sei der Aufwand noch so hoch, der Argusadler wird immer etwas finden wie ein pflichtbewusster Finanzbeamter bei der Steuerprüfung.
Denn für ihn sind 100% Einsatz mindestens 50% zu wenig. Alles, was ihn umgibt, muss mehr als perfekt sein. Die Reinheit seines Autos würde sowohl von außen als auch im Innenraum jeglichen Vergleich mit einem keimfreien Operationssaal bestehen. Nach dem Eintreffen auf dem Flugplatz wird zunächst mit etlichen Reinigungsmitteln jeglichem Schmutzpartikel der Garaus gemacht. Ohne Frage gilt das natürlich auch für seine auf Hochglanz polierten Flugzeuge. Diese werden selbstverständlich nicht auf dem unordentlichen Rasen sondern auf einer mitgebrachten Folie in einer Überdruckkammer gegen Getier aller Art abgeschirmt zunächst der gleichen Reinigungsprozedur wie seinem Wagen unterzogen. Erst dann beginnt seine Platzkontrolle.
„Ich habe gerade mal nachgezählt: Es sind 32 Fliegerkollegen auf dem Platz, aber nur 31 haben sich in das Flugbuch eingetragen! Wie ist das denn möglich? Spielen denn Sicherheit und Regeln in diesem Verein keine Rolle mehr?“
Nur äußerst mühsam gelingt es den Vereinverantwortlichen, Ruhe zu bewahren und den Argusadler wieder zu beruhigen. Die meisten haben für diesen Zweck bereits größere Vorräte an Baldrian in griffbereiter Nähe. Nur selten dauert es mehr als fünf Minuten, bis der Argusadler erneut den nächsten Grund zur Beanstandung findet: „Der Kollege da vorn, habt ihr das gesehen? Der Wind bläst genau aus Westen, das habe ich mit dem Kompass nachgemessen. Bei Start und Landung ist er aber mindestens um 3,2 Grad von der korrekten Richtung abgewichen. Eine unvorstellbare Gefährdung meiner Person und meiner Modelle! Es wird höchste Zeit, dass hier ein anderer Wind weht. Bei der nächsten Jahreshauptversammlung werde ich mich für den Vorstandsposten bewerben. Dann gibt es solche Schlampereien nicht mehr!“
Glücklicherweise macht sich der Argusadler durch sein Verhalten wenig Freunde, die Sektkorken knallen und Jubelschreie brechen aus, sobald er den Flugplatz wieder verlässt, einen Vorstandsposten hat deshalb bislang noch keiner bekleidet.
Anfänger verwechseln den Argusadler leicht mit dem Knurrhahn. Mit diesem putzigen Zeitgenossen werden wir uns allerdings noch gesondert beschäftigen.

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