Mittwoch, 1. Februar 2012

Rückblick, Teil III, Doppeldecker

Doppeldecker haben mich schon immer fasziniert, nicht allein der Tatsache wegen, weil der Wright-Flyer zu dieser Species gehörte, nein, es ist das besondere Flugbild dieses Typs, der immer wieder für erfrischende Abwechslung am Fliegerhimmel sorgt. Für mich sind Doppeldecker zudem unerklärlicherweise der Inbegriff des Flugzeugs überhaupt. Ähnlich sah es vor gut 30 Jahren auch mein Vater, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis wir natürlich auch einen solchen selbst konstruierten.
Bei einer Spannweite von ungefähr 1,10 m, mit gerader Hinterkante leicht gefeilten Flügeln aus Styropor geschnitten genauso wie die Leitwerke und ansonsten alles in herkömmlicher Balsa-/Sperrholzbauweise erstellt, stand das Teil dann Anfang der achtziger Jahre vor uns. Die Flügel erinnerten schon fast an massiven Schwerbau, da bei dem Händler, über den wir das Furnier zum Beplanken kauften, wohl gerade Nussbaum im Angebot stand. Als Profil verwendeten wir für beide Flügel das symmetrische NACA 0018. Der untere Flügel war gegenüber dem oberen um gut 10 cm nach hinten versetzt und mit 1 Grad Anstellwinkel versehen. Sowohl das Höhenleitwerk als auch der obere Flügel waren ohne Anstellung.
Die stärkere Anstellung des unteren Flügels ist bei Doppeldeckern erforderlich, gerade dann, wenn sie gegenüber dem oberen nach hinten versetzt sind, weil sie dadurch von der langsameren Unterströmung des oberen Flügels beeinflusst werden. Diese Auftriebsverminderung gleicht man durch einen höheren Anstellwinkel und natürlich mehr Widerstand wieder aus. Das ist auch mit einer der Gründe, warum der Auftrieb eines Doppeldeckers nicht doppelt so groß und der Widerstand größer ist als der eines Eindeckers mit vergleichbar großem Flügel.
Der obere Flügel saß zunächst nur auf einem Pylon. Dieser war als dickes  symmetrisches Profil aus Sperrholzrippen, die mit 1 mm Sperrholz beplankt waren, gefertigt. Darauf wurde der Flügel mit zwei Schrauben befestigt. Querruder waren über die gesamte Spannweite nur am unteren Flügel angebracht.
Fast vollständig mit roter Folie bespannt, nur ein paar weiße Kunstflugstreifen und die ebenfalls in weiß gehaltenen Ruder sorgten für Akzente, ging das Gefährt an den Start. Der Supertiger mit Resonanzrohr lief zuverlässig in allen Drehzahlbereichen, deshalb gab ich beherzt Gas. Die weichen Knie hatten sich schon vorher eingestellt, aber nun gab es kein Zurück mehr. Bereits nach wenigen Metern hob der Doppeldecker ab und…flog ganz manierlich. Die ersten Gewöhnungsrunden brachten keine bösen Überraschungen, das Querruder hätte etwas spritziger reagieren können. Obwohl ich mir keine Gedanken machen musste, beruhigte ich mich nur langsam. Bei der Landeeinteilung unterschätzte ich allerdings die Höhe und Entfernung einige Bäume, was von einem kräftigen Krachen belohnt wurde. Der Motor heulte noch ein paar Mal auf, Äste schienen zu brechen, wir hatten den Eindruck, dass sich unser neuer Flieger langsam den Weg durch das Geäst nach unten bahnte bis unverhofft Stille eintrat.
Mein Vater und ich schauten uns an.
„Na denn mal los!“; sagte er und wir machten uns auf die Suche. Schon bald hatten wir den unverschämt im Weg der Flugbahn unserer neuesten Errungenschaft stehenden Baum gefunden, aber wider Erwarten lag diese nicht auf dem Boden sondern hatte sich in ungefähr 10 Metern Höhe im Geäst verfangen, so wie es aussah, unbeschädigt. Dummerweise winkten uns die ersten tragfähigen Seitenäste ungefähr ab einer Höhe von ca. 5 Metern entgegen, bis dahin war der Stamm so glatt wie ein Kinderpopo. Meine sämtlichen Versuche, auch mit Unterstützung einer Räuberleiter meines Vaters, den Stamm empor zu klettern, blieben vergeblich, ich fand keinen geeigneten Halt.
„Wir brauchen Hilfe“, meinte ich, „so werden wir das nie schaffen.“
Gemeinsam mit weiteren Fliegerkollegen fanden wir schließlich einen abgebrochenen genügend langen dünnen Baum, mit dem wir gemeinsam an dem Geäst rüttelten. Und tatsächlich, plötzlich folgte unser Doppeldecker der Schwerkraft. Wir sprangen zur Seite, auf dem Weg zum Boden wurde der Flieger noch ein wenig von einem Querast abgebremst, bevor er vor unseren Füßen in den glücklicherweise weichen Boden einschlug.
Mit Ausnahme eines jeweils tiefen Risses in der rechten Flächenhälfte des oberen und unteren Flügels von dem abbremsenden Ast hatte unser Doppeldecker die Punktlandung unbeschadet überstanden. Da das Konzept ansonsten stimmig wirkte, beschlossen wir, neue Flügel zu schneiden, dabei jedoch die Spannweite nochmals um 10 cm zu erhöhen. So flog der Doppeldecker prima, wir brachten nachträglich allerdings noch die auf den Fotos erkennbaren abschraubbaren Streben an den Randbögen der Flügel an, weil der obere Flügel auf dem Pylon doch einen etwas wackeligen Eindruck machte.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute; so enden viele Märchen. Unserem Doppeldecker schien ebenfalls ein langes Leben beschieden zu sein. Über mehr als fünf Fliegerjahre begleitete er uns unbeschadet, bis, ja bis bei einem Landeanflug der Motor stehen blieb. Die Höhe war zu gering, um das Gefährt noch bis zum Platz zu segeln, so kam es zu einer Außenlandung. Unsere Hoffnung auf einen ebenso glücklichen Ausgang wie beim Erstflug wurde leider nicht erfüllt. Der Pfosten eines Weidezaunes mit dem Stacheldrahtverhau hatte ganze Arbeit geleistet, nach der Bergung der noch gebrauchsfähigen Servos sowie des Motors ging der Rest zur Beschwichtigung des Fliegergottes als Brandopfer in Flammen auf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen