Dienstag, 29. April 2014

Testbericht: Bau von Rippenflügeln mit DevWingCAM


Startbildschirm von DevWingCam


Nach den überzeugenden Erfahrungen mit dem Rumpfentwurfsprogramm DevFusCAM aus dem Hause DevCad  (Siehe JetPower 1/2014) reizte es mich, weitere Programme zu testen. Obwohl ich häufig Styroporflügel baue, fasziniert es mich doch immer wieder aufs Neue, die Entstehung eines Rippenflügels zu bewundern. So war es nur eine logische Konsequenz, als nächstes dem Programm DevWingCAM auf den Zahn zu fühlen.
Der erste Programmstart zeigte bereits die bekannte Handschrift aus dem Hause DevCad. Zunächst muss man sich entscheiden, ob ein neues Projekt gestartet, ein bestehendes geändert, kopiert, exportiert, gedruckt, in einer 3D-Ansicht betrachtet oder gefräst werden soll. Um den Rahmen dieses Artikels nicht zu sprengen, gehe ich im folgenden vorrangig auf den Weg bis zur Fertigung eines neuen Flügels ein, beschreibe auch nicht jede Konstruktionsmöglichkeit, denn davon gibt es extrem viele, die kaum einen Wunsch offen lassen dürften.
Klickt man auf die Schaltfläche „New Project“, so fällt eine sehr anwenderfreundliche Erweiterung sofort ins Auge, der sogenannte „Expert-Mode“. War es in DevFusCAM nur möglich, durch die gegebene Entwicklungsreihenfolge vor oder zurück zu blättern, so kann der Anwender nun selbst beliebig zwischen den Menüs durch direktes Anklicken des entsprechenden Symbols wechseln. Im Einzelnen werden in den nachstehenden Schritten folgende Definitionen vorgenommen:

·         Projektname, Halbspannweite, Distanz zwischen den Flügelhälften, Wurzeltiefe, Anzahl der einzelnen Flügelsegmente
·         Ggf. Einladen eines Grundrissplans, von dem die Flügelgeometrie abgeformt werden kann, oder
·         Freier Entwurf der Flügelgeometrie
·         Lage der Rippen, Halbrippen sind ebenfalls möglich
·         Geometrische Verwindungen sowie V-Form. Profilauswahl, hier steht gleich eine riesige Bibliothek mit mehr als 2.300 Profilen zum direkten Zugriff zur Verfügung
·         Beplankungsflächen und –dicken
·         Nasenleiste
·         Endleiste
·         Holme
·         Ausschnitte für Ruderflächen
·         Zwischenböden z. B. für die Aufnahme von Servos
·         Geodätische Rippen
·         Aussparungen in den Rippen
·         Aussparungen in den geodätischen Rippen
·         Stützfüße, um den Aufbau verzugsfrei zu erleichtern
·         Randbogen
·         Abspeichern des Projektes
Flügeldrundriss des vollständigen Ellipsenflügels

Leider gibt es auch bei diesem Programm keine deutsche Übersetzung,  das Hilfemenü ist ebenfalls in Englisch gehalten. Selbst die Zuhilfenahme eines Übersetzers aus dem Internet half nicht immer weiter, weil bestimmte Fachbegriffe fehlten oder Übersetzungen vorgeschlagen wurden, die keinen Sinn machten. Überhaupt überwältigten mich die vielen Konstruktionsmerkmale anfangs. Hier waren echte Praktiker am Werk. Die Einarbeitung in das Programm zog sich deshalb über mehrere Tage und auch direkte Anfragen beim Inhaber, Stefano Duranti, hin, bis ich mich mit der Nutzung genügend vertraut gemacht hatte. Oftmals half mir zudem „Lernen durch Ausprobieren“, einfach mal schauen, was sich verändert. Dazu steht einem in fast jedem Arbeitsschritt die Möglichkeit offen, das Ergebnis in einer 3D-Ansicht zu betrachten. Ist man aber erst einmal mit der Anwendung vertraut, gelingt ein vollständiger Flügelentwurf je nach Aufwand in weniger als einer Stunde. Für ein Nurflügelprojekt mit einer Spannweite von 3,10 m und geteiltem Flügel brauchte ich etwas mehr als eine Stunde.
Als mir schließlich klar wurde, welches Potential in DevWingCAM steckt, wollte ich die Probe aufs Exempel machen. Vor gut dreißig Jahren bauten mein Vater und ich einen Ellipsenflügel in Rippenbauweise, immerhin standen uns damals schon Taschenrechner, Millimeterpapier und Kurvenlineale zur Verfügung. Bis der Flügel mit einer Spannweite von 1,80 Meter fertig vor uns lag, verbrachten wir Wochen überwiegend unter der Neonsonne des Kellers. Jeder, der sich daran schon einmal in Handarbeit versucht hat, wird bestätigen können, dass diese Flügelgeometrie vom Bauaufwand her zu den anspruchsvollsten zählt. Zwar ist mir kein originales Flugzeug mit Jetantrieb und einem Ellipsenflügel bekannt, es ging mir aber vorrangig darum, die Leistungsfähigkeit von DevWingCAM auf die Probe zu stellen, da mir der Vergleich mit dem handwerklichen Entwurf noch gut in Erinnerung war.
Daher setzte ich folgende Parameter:

·         Spannweite 1,90 Meter, ungeteilt, keine geometrische Verwindung, keine geodätischen Rippen, Halbrippen im Nasenbereich bis zum Hauptholm, teilweise Beplankung mit 1,5 mm Dicke
·         2 Grad V-Form je Seite
·         Wurzeltiefe 350 mm
·         Profil: NACA 0015
·         Landeklappen und Querruder

Die Flügelgeometrie legte ich in DevWingCAM als freien Entwurf fest. An den geraden Mittelteil im Rumpfbereich schließen die vordere und hintere Ellipsenform an, die genau in einem Viertel der Wurzeltiefe außen zusammenlaufen. Bis zum Festlegen der Lage aller Holme verlief der Entwurf sehr schnell und reibungslos. Als problematisch erwies sich dann die Festlegung der V-Form-Verbinder in der Flügelmitte und die Konstruktion der Abschlussrippen in den Rudern. Beim Setzen von Halbrippen zu Beginn können diese nur im Nasenbereich festgelegt werden. Erst auf Rückfrage wurde mir von Herrn Duranti erklärt, dass Halbrippen im Endbereich nur über die sehr leistungsfähige Funktion „Truncate some ribs by a dummy phantom spar“ im Auswalmenü zur Gestaltung der Holmanordnung entworfen werden können. Gemeint ist die Verkürzung von nachträglich einfügbaren Rippen um in Flugrichtung liegende Holme. Um die V-Form-Verbinder zu erhalten, muss ein frei definierbarer Holm in der Höhe der Profildicke angelegt werden. Wenn man all dies weiß, ist das kein Problem, diese Bezeichnungen sind leider irreführend gewählt.

Rippenschnitt im Bereich der Landeklappen

Die weiteren Entwicklungsschritte verliefen dann wieder reibungslos. Weil mir das Programm nun erstmals die Gelegenheit bot, gewichtsreduzierende Aussparungen in den Rippen, die ich sämtlich aus 4 mm Pappelsperrholz plante, vorzusehen, machte ich davon regen Gebrauch. Mit jeder Aussparung, für die mehrere Varianten zur Auswahl stehen, wird gleich der Prozentsatz der Gewichtsreduzierung ausgerechnet. Schließlich plante ich für den späteren Aufbau Stützfüße vorn und hinten an den Rippen ein.
Sieht man von den Nachfragen und der Einarbeitung ab, brauchte ich knappe zwei Stunden für den Flügelentwurf, mit zunehmender praktischer Erfahrung im Umgang mit DevWingCAM dürfte das noch schneller zu bewältigen sein.
Ungefähr eine weitere halbe Stunde verbrachte ich noch mit der Aufarbeitung der Fräsdateien, um z. B. Haltestege an die richtigen Stellen zu verschieben, weitere zu setzen oder bei Innenaussparungen zu löschen.
Nachdem der Ellipsenflügel entworfen war, bestaunte ich noch die Simulation des Fräsvorganges. Doch letztlich entscheidend ist ja das, was die reale Fräse am Ende hervorbringt.
Rund fünf Stunden reiner Fräszeit bei einem maximalen Fräsvorschub von 250 mm/min mit einem Fräser von 1,5 mm Durchmesser  brauchte es, bis alle Bauteile gefräst waren. Das sind geringe Geschwindigkeiten, sodass leistungsfähigere Fräsen die Bearbeitungszeit noch deutlich reduzieren können. Die meiste Zeit nahm ohnehin das Herausschneiden der inneren Aussparungen ein. Das Ergebnis konnte sich trotzdem sehen lassen, schon der erste Eindruck faszinierte.

Der komplette Frästeilesatz für den Ellipsenflügel

Nachdem alle Bauteile von ihren Haltestegen befreit waren, konnte ich mit dem Aufbau beginnen
Die Stützfüße erwiesen sich als hervorragende Aufbauhilfe. Sie waren gleich so berechnet, dass ich den Flügel in eins unter Berücksichtigung der V-Form hätte aufbauen können, lediglich die Länge meines Baubretts ließ das nicht zu. Die Bauteile passten sehr gut zusammen, kleine Nacharbeiten waren nur an den Aussparungen in den Rippen erforderlich, durch die Holme schräg verlaufen. Das ist aber normal, da der Fräser üblicherweise nur senkrecht in das Material eintauchen kann. Anzunehmen ist daher, dass beim Einsatz geodätischer Rippen die entsprechenden Aussparungen an den Kreuzungsstellen ebenfalls nachgearbeitet werden müssen.
Die einzige fehlende Passung, die ich feststellen konnte, waren die Verkastungen des Hauptholmes an den Stellen, wo die Halbrippen für den Abschluss der Ruder saßen. Obwohl die Rippe nicht bis dort heranreicht, ist die Verkastung um deren Dicke verkürzt. Diese Verkastungen zu ersetzen, bedeutete jedoch keinen großen Aufwand.
Als sehr hilfreich erwies sich noch das Druckmenü, mit dem ich mir den Grundrissplan im Maßstab 1:1 ausdrucken konnte, um die genaue Form der Hinterkantenbeplankung zuschneiden zu können. Auf den A4-Blättern wurden gleich entsprechende Kreuze an den Ecken ausgedruckt, um die einzelnen Seiten korrekt aneinanderkleben zu können.
Ausgedruckter Grundrissplan für die Ruder

Rund eine Woche später lag der Flügel rohbaufertig auf meinem Tisch, auch hier würde die Verwendung von Sekundenkleber statt Weißleims weiteres Einsparpotential bieten. Die Waage zeigte inklusiver der bereits eingebauten und verdrahteten Servos eine Masse von 1.046 Gramm, das ist für einen solchen Flügel mit einer Fläche von 53,14 qdm ein sehr guter Wert.
Vor dem Fräsen selbst sollte man im Fräsmenü „Toolpaths“ die Fräswege unter dem Punkt „Sort items in selected toolpath…“ neu berechnen lassen. Das tat ich anfangs nicht und erkannte es erst nach einem entsprechenden Hinweis von Herrn Duranti. Deshalb häuften sich beim Fräsen der Rippenaussparungen unnötige Leerfahrten, weil diese nicht in einer Richtung abgearbeitet wurden sondern der Fräskopf zwischen den vorderen und hinteren Aussparungen pendelte. Die Güte des Fräsergebnisses beeinflusste das jedoch nicht.
Als verbesserungswürdig sehe ich die Verbindungsmöglichkeit zwischen Randbogen und Endrippe an. Würde dort eine Verzahnung einsetzbar sein, wäre der Material- und damit Masseaufwand zur Stabilisierung der Verbindung deutlich reduzierbar. Auf Rückfrage wurde mir mitgeteilt, dass dies als Weiterentwicklung zukünftig mit aufgenommen werden könnte.
Als Fazit kann ich dennoch voller Überzeugung eine erhebliche Zeitersparnis bei einer sehr hohen Fertigungsgenauigkeit, die so von Hand kaum zu erzielen wäre, feststellen. Die genannten Schwächen sind problemlos verkraftbar.
Der Appetit, weitere Programme für Modellbauer aus dem Hause DevCad zu testen, ist jedenfalls gestiegen.
Der Flügel in der Beplankungsphase

Berücksichtigt man den Preis von € 95,00 für eine Lizenz, so muss man von einem hervorragenden Preis-/Leistungsverhältnis sprechen.
Wem zur Fertigung keine Fräse zur Verfügung steht, kann zwei mehr oder weniger abgespeckte Programmlizenzen zum Preis von € 35,00 oder € 70,00 erwerben, mit denen die Bauteile ausgedruckt werden können.













Der Fllügel rohbaufertig

Randbogenbereich

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