Sonntag, 17. November 2013

Werner Stoff: Resteverwertung: EPP – Nurflüglerbau und andere Gedanken



Von meiner fantasielosen Gattin zum Aufräumen meines Saustalls – mein Bastelkeller - verdammt, konnte ich eine nahezu unversehrte EPP Fläche eines wegen Rumpfbruch abgestürzten Parkflyers mit einer Spannweite von 80 cm vorfinden. Die optimal abgeschrägten Endleisten des ehemaligen Günstigfliegers brachten mich eigentlich auf die Idee und das Thema ‚Nurflügler‘ hatte ich vor Jahren eigentlich unbefriedigend abgehakt. Parallel zu den Endleisten ein V-Zusammenschnitt und mit Sekundenkleber waren die Flächen gleich wieder vereint. Ein wunderbarer Werkstoff dieses eingefärbte EPP. Unter dem Oberbegriff Polystyrol sind diverse Schäume auch für den Modellbau sehr gut zu gebrauchen. Ein moderner Werkstoff für ein modernes Hobby. Natürlich belächelt und verspottet von jenen Modellbauern, die sich mit ihren übergewichtigen Holzdingern gerade noch über Wasser halten können. Diese ‚echten Kerle‘ bedienen sich natürlich ungeniert dieses modernen Werkstoffes, Flächen aus Styropor, etc.,  werden zwar genial herausgeschnitten und dann – o Schreck – mit Balsa oder Abachi beplankt. Statt Leim verwenden diese Doppelmoralisten neuerdings auch probate Schaumkleber und ziehen gleichzeitig über Schaumkonstrukteure her, welche sich unterschiedlicher Materialien bedienen, um ein ausgewogenes Fluggerät zu schaffen.

Zurück zum Nurflügler: Permanentes Schönwetter, die Bastelstube verlege ich fern vom Saustall gleich nach oben.
Nochmals: Die Flächenenden waren schön abgeschrägt  und parallel dazu schneide ich sie mit einem V zusammen.
Die Seitenflossen auf steiferes Papier gezeichnet, mit dieser Schablone ein Übertrag auf 6 mm Depron und Schnitt. Beim Schaufoto nur angelegt, denn die Flossen werden zum Schluss angeklebt.
                        


Depron und Styrodur reagieren auf Sekundenkleber mit Schrumpfungen und deshalb vorher immer Probekleben auf Abfallstücke. Im Bild rechts habe ich die ehemaligen Ruderpalten mit
V-förmige Zusammenschnitte von Depron verschlossen. Links,  an Ober- und Unterseite, ehemals als Verstärkung eingeklebte CFK-Stängelchen. Rechts dann die Größen der neuen Ruder mal vorläufig markiert.
Die Motorgondel säge ich aus einem Styrodurblock heraus, schleife es zu recht und mit einem passenden Bohrer  - geht locker mit der Hand – mache ich entsprechende Löcher in die Gondel. Das sind gekürzte Lutschstäbchen (Cola/Lemon vom Aldi/Hofer) Die Stäbchen mit Messer mehrmals einkerben und dann mit PU-Kleber als Dübel für die Ǿ 3 mm Schrauben einkleben.
















 
Rechts: Nach entsprechender Trockenzeit drehe ich die Schrauben rein und überprüfe, ob die Dübel auch richtig sitzen.

 



Links unten: CFK-Flachstäbe klebe ich in der Fläche als Verstärkungen von den Servos zu den Ruderarmen ein. Bei derartigen ‚Operationen‘ ist eine dickere Injektionsnadel auf dem Fläschchen sehr dienlich. Der Kleber kann dann schön dosiert eingebracht werden. Mit Hitzebehandlung (z.B. Minilötlampe – auf Bild) oder Aceton kann die Nadel wieder gereinigt werden.  UHU Por – Klebe dann im Depron Bereich.  Rechts unten: Zuschliff der neuen Ruderschräge,  ausnahmsweise auf der Flächenseite.






Bild links: CFK-Flachstäbe auf die Fläche und die Ruder mit Sekundenkleber; mit Stahllineal anpressen und zuwarten. Ich verwende selten einen Aktivatorspray. Das jeweilige Material soll den Sekundenkleber aufnehmen und nicht ‚schockgeklebt‘ werden. Auf Bild auch eine meiner Universalfeilen. 150er Schleifpapier mit UHU-Por auf Holzstück aufgeklebt. Wenn stumpf, eine Nacht ins Wasser legen und kann dann abgezogen werden. Achtung auch: UHU-Por ist wasserlöslich



Nur in den oberen Bereichen der beidseitigen Flachstäbe nun UHU Por aufbringen, kurz verreiben und ablüften lassen. Das Zeug klebt auch nach zig Stunden und wird eigentlich nie richtig hart. Da habe ich jedenfalls eine ‚technische Pause‘ gemacht. Exakt auf einer Ebene ausrichten und die Teile dann zusammendrücken. Hält gut. Einfacher wäre natürlich ein breiteres Tesa Band als Scharnier. Mir ging es aber um Verstärkung von Ruder und Fläche.




Dieses EPP war ziemlich grobporig. Trotz scharfer Klinge wären die Kanäle für die Servokabeln ein Murks geworden. Lötkolben mit flacher Spitze, ein paar Probeschmelzungen und mit Stahllineal wurden die Kanäle dann sehr sauber geschmolzen.



Mit win-laengs - danke Thomas - habe ich bei einer Bezugsfläche von 17,5 dm² einen Schwerpunkt von etwa 11 cm ermittelt. Die Komponenten entsprechend aufgelegt und die Ausnehmungen herausgearbeitet.


Etwas Sturz schon auf die Motorgondel geschliffen, schraube ich den kleinen Außenläufer auf die Gondel. Schon eine wunderbare Sache, diese E-Motörchen. Nach Probeschmelzen auf unterschiedlichen Materialien schmelze ich auch in der Motorgondel einen Kanal für die Motorverkabelung. Die Gondel samt Motor und Schraube klebe ich mit UHU-Por auf die Fläche.






Motörchen wieder runter. Die Seitenflossen und Motorgondel koloriere ich mit wasserverdünnbaren Lacken; so ein dunkles Graugrün mische ich mit blauer, gelber und schwarzer Farbe zusammen. Nur immer ein paar Tropfen Farben mit Wasser und Pinsel abmischen. Mit  einem Schwämmchen und tupfenden Bewegungen auf die Teile auftragen und trocknen lassen.
Der Flugkörper hat ein Gewicht von 91 Gramm, die gesamten Komponenten 194 Gramm, div. Zubehör und 22 Gramm Ballast vorne. 
Gesamt nun 
329 Gramm. Verwende einen relativ hochdrehenden Außenläufer mit 1650 kv, 25 Ampere-Regler, mit einer 3s 1000 mAh. Schraube ist eine 7*3,5 und die Geräuschkulisse – so meine Nachbarin – entspräche der eines remmelnden Katers. Entzückend – mal was Neues. Die Komponenten habe ich der Schwerpunktlage entsprechend unten eingebaut. Das TF auf den Seitenflossen steht nicht für Thomas Fischer, sondern für TermitenFrei.




Erststarts sind eigentlich besch…. und genauso sieht es auch aus. Es war wieder einmal dämmrig, die Bilder habe ich aufhellen müssen.  Wegen der Heckschraube schmeiße ich den Nuri wie ein Tablette hoch und volle Kanne. Kein erwartetes Ausbrechen oder sonst was. Bin perplex, das Teil geht wie auf Schienen dahin und ich werde auch gleich frecher. Was kann man mit dem Teil überhaupt machen …




 Sehr enge Kurven möglich, bei ½ Halbgas und Neutralstellung der Ruder fliegt das Ding erstaunlich geradeaus.  Rollen sind nicht so berühmt und vergebens will ich mit dem linken Knüppel – fliege Mode 2 – manchmal Seitenruder dazugeben. Landen überhaupt kein Problem.
Trotz einer steiferen 7*4 SF-Schraube noch immer das Gejaule eines liebestollen Katers. Die Nachbarn haben sich mittlerweile daran gewöhnt und ich habe meine Gaudi dabei. 


Bis auf die Klebstoffe und ein paar CFK-Stängelchen hat mich das Teil nichts gekostet. Es war eine reine ‚Resteverwertung‘ bzw. wurden die funktionierenden Komponenten aus anderen ‚Wracks’ geborgen.


Nuri TF
Spannweite:                70 cm
Flächeninhalt:             17,5 dm²
Gesamtmasse:            329 Gramm (inkl. 22 Gramm Ballast vorne)
Flächenbelastung:         18,8 Gramm per dm²
Ruderausschläge:       +/- 12 mm

Freitag, 1. November 2013

Der Schrecken vor der Leere kommt wieder!




Karikatur von Klaus Heilmann, www. kunstmalstudio.de
1654 führte Otto von Guericke in Regensburg ein eindrucksvolles Experiment vor: Zwei Halbkugeln mit 50 cm Durchmesser, aus denen die Luft mit seiner eigens erfundenen Kolbenpumpe entzogen worden war, konnten selbst durch zwei daran ziehende Pferdegespanne mit jeweils 15 Pferden nicht auseinander gezogen werden. Damit bewies er, dass der von außen wirkende Luftdruck die Kugeln zusammenhält. Die bis dahin herrschende Angst vor der Leere (horror vacui), war damit widerlegt.
Doch warum erzähle ich das? Ganz einfach: Unser Wissen verdoppelt sich in immer kürzeren Abständen und, bedenkt man, dass zwischenzeitlich mehr als 350 Jahre ins Land gegangen sind, so liegt doch die Frage nahe, ob das noch alles so seine Richtigkeit hat? Und tatsächlich, liest man aufmerksam die Testberichte von neu erschienenen Flugmodellen, so drängt sich der Schluss auf, dass sich Herr von Guericke geirrt haben muss.
Immer häufiger wird beschrieben, dass „Servos saugend in die Aussparungen passen“, gleiches erfährt man zudem von Flächenhalterungen oder ähnlichen Bauteilen, die in andere einzufügen sind. Da läuft es mir doch eiskalt den Rücken hinunter, nachts werde ich vor lauter Angst bereits von Schlaflosigkeit geplagt. Das ist doch genau das Gegenteil von dem, was Herr von Guericke bewiesen hat! Was wollen wir also noch mit diesen alten Kamellen?
Am meisten beunruhigt mich, wie leichtfertig darüber geschrieben wird. Ja sind sich denn die Fliegerkollegen gar nicht der Gefahr bewusst, in der sie schweben? Heute ist es das Servo, das eingesaugt wird, und morgen?
Nun heißt es wieder, auf der Hut zu sein, denn die Leere, die alles in sich aufsaugt, breitet sich offensichtlich in zunehmendem Tempo aus und macht nicht einmal mehr vor unserem Hobby halt. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die ersten Modellbauer spurlos verschwunden sind. Vielleicht sind sie es ja schon, denn es ist ja ein offenes Geheimnis, dass deren Zahl zusehends schwindet. Wenn dahinter nicht eine von der Modellbauindustrie unterstützte „Leere-Mafia“ steckt, die der Verbreitung Vorschub leistet. Das würde auch die rapide Zunahme von Fertigmodellen und Schaumwaffeln erklären. Wie sonst sollten diese modernen Errungenschaften sich auf dem Markt auch derart ausbreiten können? Genauso muss es sein. In alten Modellbauzeitschriften aus einer Zeit vor der „leeren Fertigrevolution“ sucht man jedenfalls vergebens nach saugenden Passungen.
Da ich mich selbst noch zu der Spezies der Flugmodellbauer zähle, kann ich mich bislang wohl glücklich schätzen, verschont geblieben zu sein. Doch wie lange noch? Wann und wo wartet die nächste saugende Passung auf mich, deren Einfluss möglicherweise übermächtig wird? Und, was viel wichtiger ist, wie kann ich mich davor schützen?
Zunächst kontrolliere ich jedes Paket, dessen Absender auf ein Unternehmen der Modellbaubranche schließen lässt, peinlich genau. Zur Sicherheit trage ich eine Kette mit Knoblauchzehen und Akkuselbstladern, doch auf Dauer bin ich mir nicht sicher, ob das helfen wird. Nicht einmal das Internet mit seinen Suchmaschinen konnte mir auch nur eine brauchbare Antwort liefern, die Leere-Mafia leistet ganze Arbeit.
Falls ich also eines Tages spurlos von der Bildfläche verschwunden sein sollte, denkt an meine Worte, dann hat mich die Leere einfach aufgesaugt!