Bei
den meisten Flugmodellen stellt es kein Problem dar, die richtige
Schwerpunktlage festzustellen. Mit zwei Fingern hebt man das Modell unter den
Flügeln an der Stelle an, wo er liegen soll. Etwas professioneller geht es mit
SP-Waagen, auf die das Modell gelegt wird. Wenn dann das Flugzeug leicht nach
vorn geneigt in der Waage liegt, passt alles. So weit so gut. Übersteigt die
Startmasse aber die 10 kg-Marke, wird es schon schwieriger. Irgendwann muss man
ein gut durchtrainierter Kraftsportler sein, um es noch anheben zu können. Viel
schlimmer aber ist, dass die Druckfläche beim Anheben sehr klein und damit der
ausgeübte Druck sehr hoch wird. Irgendwann gibt dann auch die stabilste
Beplankung nach und hinterlässt
dauerhafte Eindrücke der ungewollten Art.
Auf
der Suche nach einer Lösung, stieß ich auf eine Aussage aus dem Großflugzeugbau:
Die Schwerpunktlage wird aus der Masse berechnet, die auf den Fahrwerken lastet.
Eine Formel konnte ich leider nicht ausfindig machen und so überlegte ich
selbst, wie es funktionieren könnte. Schnell stellte ich fest, dass die
Herleitung recht einfach war, da es sich um ein einfaches Hebelgesetz handelt.
Wen die mathematischen und physikalischen Hintergründe interessieren, kann sich
gerne mit mir in Verbindung setzen, denn ich stelle hier der Einfachheit halber
nur die Ergebnisse und die praktische Anwendung vor:
Zunächst
sind einige Begriffe einzuführen, die sowohl für Flugmodelle mit Drei- als auch
für Zweibeinfahrwerk gültig sind:
Abbildung 1: Bezeichnungen an einem Flugzeug mit Zweibeinfahrwerk
Abbildung
2: Bezeichnungen an einem Flugzeug mit Dreibeinfahrwerk/Hecksporn
L: Abstand der Auflagepunkte der Räder/des Spornrades
und zwar bezogen auf die Senkrechte zur Rumpfmittellinie! Bei einem Sporn
sollte der Auflagepunkt für die Ermittlung des Abstandes L genommen werden, auf
dem das Modell bei waagerechter Ausrichtung tatsächlich liegt!
A:
Abstand des Schwerpunktes vom Vorderrad bezogen auf die Senkrechte zur
Rumpfmittellinie!
B:
Abstand des Schwerpunktes vom Hinterrad/Sporn bezogen auf die Senkrechte zur
Rumpfmittellinie!
M1:
Masse auf dem vorderen Fahrwerk bei waagerechter Rumpfmittellinie!
M2:
Masse auf dem hinteren Fahrwerk/Sporn bei waagerechter Rumpfmittellinie!
Man
sollte sich mit dem Verfahren zunächst an einem Modell mit bekannter
Schwerpunktlage vertraut machen, da sehr schnell systematische Fehler auftreten
können, die das Ergebnis stark verfälschen. Das werde ich im Folgenden noch an
einem Beispiel verdeutlichen.
Die
verwendete Waage sollte keinesfalls aus Omas guter Küche stammen, sondern eine
genau wiegende Digitalwaage sein. Wer über zwei davon verfügt, ist noch besser
dran.
Welche
Wägung man als erste anwendet, ist unerheblich. Ich beginne mit dem vorderen
Fahrwerk.
Zunächst
stellt man also das Flugmodell mit dem Frontfahrwerk auf eine Waage und richtet
das Modell bezogen auf die Längsachse waagerecht aus! Eventuell benötigt man
eine Arretierung, damit gerade bei Zweibeinfahrwerken das Modell nicht
hinunterrollt. Die Masse der Arretierung ist auf der Waage als Tara einzugeben,
damit sie sich wieder auf null stellt!
Der
angezeigte Wert wird nun notiert. Anschließend wiederholt man die Wägung für
das hintere Fahrwerk/den Sporn. Auch
hier muss das Modell mit der Längsachse waagerecht stehen! Nachdem der
zweite Wert notiert ist, kann bereits gerechnet werden:
A = L/((M1/M2)+1)
Richtige Wägung vorn |
Richtige Wägung von M2 |
In
unserem Beispiel sind L= 995 mm; M1=2.865 Gramm, M2=495 Gramm.
Eingesetzt ergibt sich:
A = 995/((2.865/495)+1)
A = 146,58 mm ~
147 mm
Der
Schwerpunkt liegt also 147 mm hinter dem Auflagepunkt des Frontfahrwerkes
bezogen auf die Senkrechte zur Rumpfmittellinie! Der Wert deckte sich mit dem der
oben beschriebenen Finger-Unterstützungsmethode.
Wem
zwei Digitalwaagen zur Verfügung stehen, kann natürlich sofort beide Werte in
einem Arbeitsgang ablesen. Aber auch hier gilt: Die Längsachse des Flugmodells
muss beim Wägen waagerecht ausgerichtet sein!
Wie
wichtig eine waagerechte Ausrichtung der Längsachse ist, möchte ich an
folgendem Beispiel zeigen. Hier habe ich das Modell jeweils auf die Waage und direkt
auf den Tisch gestellt.
Falscher Wert von M1 |
Falsche Wägung hinten |
Falscher Wert von M2 |
Der
Fahrwerksabstand bleibt unverändert, aber die Auflagemassen verändern sich L= 995 mm, M1=2.801 Gramm, M2=537
Gramm. Dass die Summe aus M1 und M2 gegenüber den oben
angegebenen Werten nicht gleich ist, hängt damit zusammen, dass die Längsachse
des Modells bei der Wägung vorn und hinten diesmal unterschiedlich schräg
stand! Hier sieht man bereits, welche Fehler sich einschleichen.
Wieder
in die obere Formel eingesetzt ergibt sich:
A =
995((2.801/537)+1)
A = 160,07 mm ~
160 mm !!!
Der
Schwerpunkt müsste also fast 13 mm weiter hinten liegen! Deshalb noch einmal
der Hinweis: Das Verfahren zunächst an einem Modell mit bekannter Schwerpunktlage
testen und sich damit vertraut machen!
Ob
die Wägungen richtig waren, kann man übrigens ganz einfach feststellen: Die
Summe von M1 und M2 muss natürlich gleich der Gesamtmasse des Flugmodells sein.
Bei der zweiten falschen Wägung ist das nicht der Fall.
Wer
ungern selbst rechnet, dem kann von mir ein Excel-Makro zur Verfügung gestellt werden,
dass von einer Bekannten, Birgit Neubauer, programmiert wurde. Die
Berechnungsmethode steht gleichzeitig parallel für Modelle mit Zwei- und
Dreibeinfahrwerken zur Verfügung. Nach der Eingabe der Werte L, M1 und
M2 wird sofort die
Schwerpunktlage A ausgerechnet. Anfragen bitte an: quax_tf@yahoo.de
Stimmt
die Schwerpunktlage nicht, so ist durch entsprechende Verschiebung von z. B. Akkus
die Lage zu verändern, bis der korrekte Wert beim Nachwiegen erreicht wird.
Noch
ein Hinweis: Natürlich ist die Schwerpunktlage mathematisch auch bei nicht
waagerechter Längsachse ermittelbar, selbst wenn bei einzelner Wägung der
vorderen und hinteren Masse die Längsachse unterschiedlich ausgerichtet war. Um
jedoch zu korrekten Ergebnissen zu kommen, wäre in diesem Fall die genaue Kenntnis
der Anstellwinkel der Längsachse erforderlich. Diesen genügend genau zu
ermitteln, dürfte schwieriger sein, als das Flugmodell waagerecht auszurichten.
Zudem ging es mir darum, dem interessierten Modellbauer ein möglichst einfach
anzuwendendes Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.
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