Karikatur von Klaus Heilmann, www.kunstmalstudio.de |
Ich bin ein totaler Außenseiter! Auf neuhochdeutsch für die
jüngere Generation: ein Outsider, ein Freak. Und das nicht erst seit kurzer
Zeit, sondern schon seit etlichen Jahren. Genau genommen seit dem Zeitpunkt, als
ich den ersten Gedanken daran verschwendete, darüber nachzudenken, was man denn
so modellfliegerisch in die Lüfte bewegen könnte, was eben nicht als Baukasten
oder mehr oder minder vorgefertigtes Modell auf dem Markt angeboten wird. Welche
Gedanken ich mir so über die Jahre gemacht, wie viel Mühen, Zeit und natürlich
auch Geld ich in den Bau von Flugmodellen gesteckt habe!
Zuletzt investierte ich sogar in eine eigene
computergesteuerte Fräse und Styroporschneidemaschine mit entsprechender
Software, um noch genauer und schneller Flugmodelle erstellen zu können. Ganz
zu schweigen von den sprichwörtlichen weichen Knien, mit denen so ziemlich
jeder beim Erstflug seiner neuesten Errungenschaft zu kämpfen hat, wenn er den
Gashebel nach vorn schiebt. Aber um wie viel mehr erweichten sich meine Knie,
der Herzschlag erreichte nie dagewesene Frequenzen, wenn ich auf einen
glücklichen Ausgang meiner neuesten Kreationen hoffte!
Dabei ging ich immer von der Überlegung aus, dass es
Modellbauer gäbe, die ähnlich denken würden, die sich ebenfalls von Freude am
Experimentieren vorantreiben ließen, um neue Horizonte zu erreichen.
Doch welch unglaublicher Fehleinschätzung bin ich erlegen? Was
für eine arrogante Selbstanmaßung! Es bleibt für mich unfassbar, wie ich
solange mit einer aufgesetzten rosa Fliegerbrille durch die Lüfte schwirren
konnte. Umso beruhigter und dankbarer bin ich nun, gerade noch rechtzeitig die
Augen geöffnet zu bekommen. Denn nicht das Besondere, die Freude am
Nervenkitzel ist es, was die Fliegerkollegen vorantreibt! Nein, keineswegs, es
ist das genaue Gegenteil!
Da riss mir doch die Werbung eines namhaften Herstellers die
Brille mit brutaler Gewalt von der Nase, rücksichtlos musste ich meine
althergebrachten Vorstellungen demontieren lassen durch groß angeprangerte Aussagen
aus Testberichten wie:
„So einfach war das Fliegen für mich noch nie.“
„Keine Angst mehr vor Windböen und Seitenwind beim
Landeanflug.“
Selbst schwierig zu fliegende Modelle fliegen sich plötzlich
beinahe so einfach wie Anfängermodelle.“
Dieser Hersteller wirbt damit für seine neueste Entwicklung
im Bereich der elektronischen Stabilisatoren, die in Empfängern integriert
sind. Als die ersten Systeme auf den Markt kamen, hielt ich sie für
interessante Ausnahmeprodukte (auch so eine Fehleinschätzung), tatsächlich
scheint Fliegen ohne sie gar nicht mehr möglich zu sein (das muss wohl am
weltweiten Klimawandel liegen). Was aber viel wichtiger ist: Offensichtich hat
die Modellfliegerwelt schon lange, viel
zu lange auf diese ultimativen Produkte gewartet. Denn tatsächlich geht es ja
um das einfache Fliegen, eben wie mit Anfängermodellen. Jegliches
Experimentieren verliert damit seinen Sinn und degradiert den Unbelehrbaren
eben zum Außenseiter, pardon, Freak oder Outsider!
Ich bin froh, nun den wahren Sinn des Modellfliegens erkannt
zu haben, endlich kann ich das nervenaufreibende Gedankengut, die unnötig
meinen Kreislauf belastenden Erstflüge gänzlich beiseiteschieben. Statt
interessanter Neuentwicklungen werde ich mich von nun an ausschließlich den
einfachen Flugmodellen des Marktes widmen und selbstverständlich nur noch ein
Stabilisierungssystem einsetzen.
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