Samstag, 1. März 2014

Was Modellflieger wirklich wollen!


Karikatur von Klaus Heilmann, www.kunstmalstudio.de


Ich bin ein totaler Außenseiter! Auf neuhochdeutsch für die jüngere Generation: ein Outsider, ein Freak. Und das nicht erst seit kurzer Zeit, sondern schon seit etlichen Jahren. Genau genommen seit dem Zeitpunkt, als ich den ersten Gedanken daran verschwendete, darüber nachzudenken, was man denn so modellfliegerisch in die Lüfte bewegen könnte, was eben nicht als Baukasten oder mehr oder minder vorgefertigtes Modell auf dem Markt angeboten wird. Welche Gedanken ich mir so über die Jahre gemacht, wie viel Mühen, Zeit und natürlich auch Geld ich in den Bau von Flugmodellen gesteckt habe!
Zuletzt investierte ich sogar in eine eigene computergesteuerte Fräse und Styroporschneidemaschine mit entsprechender Software, um noch genauer und schneller Flugmodelle erstellen zu können. Ganz zu schweigen von den sprichwörtlichen weichen Knien, mit denen so ziemlich jeder beim Erstflug seiner neuesten Errungenschaft zu kämpfen hat, wenn er den Gashebel nach vorn schiebt. Aber um wie viel mehr erweichten sich meine Knie, der Herzschlag erreichte nie dagewesene Frequenzen, wenn ich auf einen glücklichen Ausgang meiner neuesten Kreationen hoffte!
Dabei ging ich immer von der Überlegung aus, dass es Modellbauer gäbe, die ähnlich denken würden, die sich ebenfalls von Freude am Experimentieren vorantreiben ließen, um neue Horizonte zu erreichen.
Doch welch unglaublicher Fehleinschätzung bin ich erlegen? Was für eine arrogante Selbstanmaßung! Es bleibt für mich unfassbar, wie ich solange mit einer aufgesetzten rosa Fliegerbrille durch die Lüfte schwirren konnte. Umso beruhigter und dankbarer bin ich nun, gerade noch rechtzeitig die Augen geöffnet zu bekommen. Denn nicht das Besondere, die Freude am Nervenkitzel ist es, was die Fliegerkollegen vorantreibt! Nein, keineswegs, es ist das genaue Gegenteil!
Da riss mir doch die Werbung eines namhaften Herstellers die Brille mit brutaler Gewalt von der Nase, rücksichtlos musste ich meine althergebrachten Vorstellungen demontieren lassen durch groß angeprangerte Aussagen aus Testberichten wie:
„So einfach war das Fliegen für mich noch nie.“
„Keine Angst mehr vor Windböen und Seitenwind beim Landeanflug.“
Selbst schwierig zu fliegende Modelle fliegen sich plötzlich beinahe so einfach wie Anfängermodelle.“
Dieser Hersteller wirbt damit für seine neueste Entwicklung im Bereich der elektronischen Stabilisatoren, die in Empfängern integriert sind. Als die ersten Systeme auf den Markt kamen, hielt ich sie für interessante Ausnahmeprodukte (auch so eine Fehleinschätzung), tatsächlich scheint Fliegen ohne sie gar nicht mehr möglich zu sein (das muss wohl am weltweiten Klimawandel liegen). Was aber viel wichtiger ist: Offensichtich hat die Modellfliegerwelt  schon lange, viel zu lange auf diese ultimativen Produkte gewartet. Denn tatsächlich geht es ja um das einfache Fliegen, eben wie mit Anfängermodellen. Jegliches Experimentieren verliert damit seinen Sinn und degradiert den Unbelehrbaren eben zum Außenseiter, pardon, Freak oder Outsider!
Ich bin froh, nun den wahren Sinn des Modellfliegens erkannt zu haben, endlich kann ich das nervenaufreibende Gedankengut, die unnötig meinen Kreislauf belastenden Erstflüge gänzlich beiseiteschieben. Statt interessanter Neuentwicklungen werde ich mich von nun an ausschließlich den einfachen Flugmodellen des Marktes widmen und selbstverständlich nur noch ein Stabilisierungssystem einsetzen.

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