Dienstag, 6. September 2011

Von saugend eingebauten Flächenverbindern und anderen Merkwürdigkeiten

Wenn ich in Modellbauzeitschriften Erfahrungsberichte über auf dem Markt angebotene Baukastenmodelle mit mehr oder weniger hohem Vorfertigungsgrad lese, stoße ich immer wieder auf Kuriositäten.
Schauen wir uns doch einmal die links und rechts  eingefügten Bilder an, was stellen sie dar?
Keine Ahnung?
Merkwürdig, denn das ist doch ganz einfach, es handelt sich um zwei Beispiele des so weit verbreiteten halbsymmetrischen Profils!
Man mag es gar nicht glauben, wie oft eines dieser Profile nach wie vor zum Einsatz kommt. Gleichgültig, ob ich in meine ältesten FMT´s aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts schaue oder in aktuelle Modellbauzeitschriften, immer wieder stoße ich auf diese spezielle Spezies.
Erstaunlich für mich, dass man damit problemlos Flugmodelle zum Fliegen bringen kann. Irgendwie fehlt mir das Vertrauen, meinen Fliegern ein solches Flügelprofil zu verpassen. Die von mir verwendeten sehen alle anders aus, vor allem fehlt ihnen der typische Knick. Manch eine meiner Eigenkonstruktionen weigerte sich, brauchbare Flugeigenschaften zu zeigen. Lag es vielleicht an meiner falschen Profilwahl? Versuchen wir doch, diese Frage einmal logisch zu klären:

Angenommen, wir würden eine Eigenkonstruktion mit dem halbsymmetrischen Profil vom linken Typ ausstatten. Wäre der Knick an der Unterseite, könnte das bei ausreichender Motorisierung sogar funktionieren (mit genügend Antriebskraft lässt sich ja bekanntermaßen fast alles zum Fliegen bringen). Die dem Flügel nachfolgende Wirbelschleppe würde aber wahrscheinlich den Flugbetrieb für Stunden lahmlegen, wollte man andere Modelle nicht unnötig gefährden.
Wie sieht es mit dem Typ rechts aus? Die Bremswirkung durch den Knick wäre gewiss noch größer als beim linken Typ, die Wirbelschleppe noch kräftiger und überzeugend genug, jeden erforderlichen Auftrieb im Keim zu ersticken. Wahrscheinlich hätten wir es eher mit einem futuristischen „Fluto“ (Flugzeugauto), das weder besonders schnell fahren noch überhaupt fliegen kann, zu tun.
Das interessante an der Geschichte ist, dass offensichtlich jeder ein halbsymmetrisches Profil kennt, es aber noch keiner wirklich gesehen hat. Wo liegt also der Hund begraben?
Gibt es denn eine „Halbsymmetrie“? Wohl eher nicht, trotzdem hat sich dieser Begriff in den allgemeinen Fliegersprachgebrauch für Profile eingeschlichen, deren Unterseitenwölbung geringer ausfällt als die der Oberseite. Und die Tatsache, dass es diesen Begriff bereits sehr lange gibt, wird uns wohl auch zukünftig damit konfrontieren. Ich hoffe nur, dass niemand auf die Idee kommt, eines der dargestellten halbsymmetrischen Profile tatsächlich auszuprobieren, oder dass irgendwann einmal „halbschwangere“ Frauen unsere Welt bevölkern.

Wer aufmerksam Modellbauzeitschriften liest, wird aber noch auf weitere Eigentümlichkeiten stoßen: Da ist häufiger die Rede von Servos oder Verbindern von Tragflächen, die „saugend“ in die Halterungen passen.
Wenn ich das lese, rieselt es mir eiskalt den Rücken hinunter. Dann fürchte ich, gibt es doch den „horror vacui“, den Schrecken vor der Leere. Zur Auffrischung unserer Allgemeinbildung:

Die Annahme, dass es keine Leere geben kann, geht auf den griechischen Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.) zurück. Erst der Erfinder der Luftpumpe, Otto von Guericke, konnte 1654 mit den Magdeburger Halbkugeln anschaulich nachweisen, dass evakuierte Gefäße durch den äußeren Luftdruck aneinander gedrückt werden.

Dieses Experiment ist unglücklicherweise schon über 350 Jahre alt. Was hat sich in dieser Zeit alles verändert? Und wie enorm schnell erst verändert sich unsere Zeit? Die Beobachtungen über saugend passende Servos oder Flügelverbinder könnten ein erstes Indiz dafür sein, dass Aristoteles wohl doch unrecht hatte:
Die Leere breitet sich in unserer Welt aus und wir Modellbauer gehören offenbar zu den ersten Opfern. Wir gehören damit zu einer stark gefährdeten Gruppe und sollten also auf der Hut sein, um nicht eines Tages selbst in ein Loch hineingesogen zu werden!

2 Kommentare:

  1. Hi Thomas,

    Genial! Du avancierst so langsam zum "Loriot" der Modellflieger - und "Quax" zu meinem Lieblingsblog!

    Bitte mach' so weiter...

    Uwe

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Uwe,

    danke für das tolle Kompliment, weil vor allem "Loriot" auch mein Favorit in Sachen Humor ist. Gerne greife ich auch Anregungen von Lesern auf und nenne Sie als Urheber. Wenn Du also Ideen hast, über die ich schreiben soll, dann her damit an delfis@web.de

    Holm- und Rippenbruch

    Thomas

    AntwortenLöschen