Montag, 18. Juli 2011

So bitte nicht!

Seit ich mit dem aktiven Flugmodellbau begann, habe ich einige Vereine kennen gelernt und niemals gab es Konflikte mit anderen Mitgliedern oder gar dem Vorstand. Gab es wirklich niemals Ärger? Nein, ein von unbeugsamen Landmenschen gegründeter Verein hörte nicht auf, mir als neuem Mitglied Widerstand entgegen zu bringen. Und das Vereinsleben wurde für mich zunehmend schwerer, obwohl ich eigentlich nur meinem Hobby weiter nachgehen und wie gewohnt mit Hilfe und guten Ratschlägen beistehen wollte…
Die MFG Westfeinersee war ein kleiner Verein, der aus gut dreißig Mitgliedern bestand. Es gab eine eigene Homepage und dort eingerichtet sowohl einen öffentlichen als auch einen internen Bereich, über den die Vereinsmitglieder sehr schnell Informationen austauschen konnten.
Meine Aufnahme in dem Verein war sehr freundlich und ließ in keiner Weise erahnen, was auf mich zukommen würde. Herr Gernefern, Mitte fünfzig, hatte den Verein Anfang der achtziger Jahre gegründet und war seither im Vorstand. Herr Meistensda, Anfang dreißig wurde zum zweiten Vorsitzenden gewählt, kurz nachdem ich dem Verein beigetreten war. Mit ihm verstand ich mich von Beginn an sehr gut. Sein Interesse, selbst eine computergesteuerte Fräse besitzen zu wollen, förderte unsere Kontakte außerhalb des Flugbetriebes. Bald schon half er mir auch beim Schneiden von Styroporflügeln.
Weil ich mich dort regelmäßig sehen ließ, wurde bereits wenige Monate nach meinem Eintritt öfters per SMS angefragt, ob ich zum Fliegen auf den Platz kommen würde. So etwas hatte ich bislang noch nie erlebt und gab mir das Gefühl, schnell integriert zu sein.
Der Modellflugplatz war so gelegen, dass es keine Anlieger gab, mit denen man hätte in Konflikte geraten können. Zum Fliegen gab es reichlich Platz, eigentlich konnte man schon fast von paradiesischen Verhältnissen sprechen. Dem Verein fehlten leider eigene Strom- und Wasseranschlüsse, sodass für Veranstaltungen eigens ein Notstromaggregat zur Verfügung stand, Wasser hingegen musste in Kanistern jedes Mal mitgebracht werden.
Als ich im ersten Jahr an der Jahreshauptversammlung teilnahm, war mir die Situation des Vereins noch weitestgehend unbekannt. Doch schon damals schlug ich vor, meine guten Kontakte zu den Aviators mit seinem Vorsitzenden Matthias „Hias“ Prisching in Obdach/Österreich zu nutzen, um z. B. eine Art Fliegeraustausch zu organisieren. Die Idee wurde wohlwollend aufgenommen, sodass ich mich an die Organisation machte.
Der positiven Resonanz über das Intranet folgte jedoch schon bald die Ernüchterung. Zu einem Termin, an dem die ersten konkreten Schritte geplant werden sollten, nahm außer Herrn Meistensda nur noch ein weiteres Mitglied teil. In den Wochen darauf änderte sich daran nichts, sodass die gesamte Aktion schließlich ergebnislos im Sande verlief.
Ähnlich verlief es mit der Organisation eines Whiskytastings und auf genauso geringe Resonanz stieß ein eingestellter Erfahrungsbericht, in dem ich von der Entwicklung eines eigenen Entenflugmodelles berichtete. Lediglich meine Veröffentlichungen von Witzen und originellen Begebenheiten bewegten die Gemüter, vielleicht hätte sich der Verein eher einem Karnevalsverein anschließen sollen?
Wegen der geringen Mitgliederzahl verfügte der MFG Westfeinersee über zu wenige finanzielle Mittel, um sich Strom- und Wasseranschlüsse legen zu lassen. Doch es gab hervorragende Voraussetzungen, dies zu ändern, man hätte nur davon Gebrauch machen müssen. Mit stetigem Engagement wäre der Verein sicherlich in wenigen Jahren auf eine Mitgliederzahl gewachsen, die die finanzielle Beweglichkeit deutlich verbessert hätte:
In dem nahegelegenen Ort befand sich ein größeres Schulzentrum und alljährlich veranstaltete der Verein mit den beiden benachbarten Gemeinden sogenannte Ferienpassaktionen, um Jugendliche an den Modellflug heranzuführen. Für die Interessierten aus jeder der beiden Gemeinden war jeweils ein Samstagnachmittag zum Kennenlernen vorgesehen.
Im zweiten Jahr meiner Mitgliedschaft jammerte der 1. Vorsitzende, Herr Gernefern, über die geringe Mitgliederzahl und die damit verbundenen geringen Beitragseinnahmen, die die finanzielle Situation des Vereins belasteten.
Ich schlug vor, im Anschluss an die alljährlich angebotene Ferienpassaktion, Kontakt zu den Kindern und deren Eltern zu halten, um so die Chance auf neue Mitglieder zu erhöhen, außerdem könnten Kontakte zum Schulzentrum geknüpft werden. Bislang hatte man sich nach der Ferienpassaktion nur um diejenigen Kinder gekümmert, die von sich aus Interesse an einer Weiterführung der Modellfliegerei gezeigt hatten. Auf die Idee, mit den Schulen Kontakt aufzunehmen, war offensichtlich bislang überhaupt niemand gekommen.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, im falschen Film zu sein, denn statt einer Annahme des Vorschlages entbrannte unter Federführung von Herrn Gernefern eine Diskussion darüber, wie schwierig Jugendliche für eine Vereinsmitgliedschaft zu gewinnen seien. Aha, hatte ich mich also getäuscht, es gilt nicht „lerne klagen ohne zu leiden“ sondern „lerne leiden, um zu klagen“. Trotzdem versuchte ich einen weiteren Anlauf, sodass der Vorschlag zumindest ins Protokoll aufgenommen wurde, außerdem wählte man mich zum Schriftführer.
Über Herrn Meistensda erfuhr ich in der Folgezeit, dass der 1. Vorsitzende seine Arbeit meistens allein machte, nur äußerst selten weihte er seinen Stellvertreter in seine Planungen oder Ergebnisse ein. Der Führungsstil erinnerte mich an die absolutistische Regentschaft manches spätmittelalterlichen Herrschers. Sollte Herr Gernefern zu den Leuten gehören, an denen die Entwicklungen der letzten fast vierhundert Jahre völlig spurlos vorbeigegangen waren?
Unaufhaltsam rückte der Termin für die Planungen der Ferienpassaktion näher und Herr Gernefern schrieb ins Intranet, es habe Anmeldungen ausschließlich nur aus einer Gemeinde gegeben, warum das so sei, wisse er nicht. Außerdem behielt er bis zum Veranstaltungstag sowohl die genaue Anzahl der angemeldeten Kinder als auch deren Namen für sich. Warum sollte man solch unwichtige Informationen auch an die durchführenden Mitglieder weitergeben?
Dass es keine einzige Anmeldung aus einer Gemeinde geben sollte, konnte ich mir nicht vorstellen und so forschte ich nach. Schon nach wenigen Telefonaten fand ich bei der Gemeinde die richtige Ansprechpartnerin. Was ich dort zu hören bekam, konnte ich jedoch kaum glauben:
„Herr Gernefern hat sich bei uns in diesem Jahr nicht für die Ferienpassaktion gemeldet, daher haben wir das Angebot kurzerhand herausgenommen und gegen ein anderes ausgetauscht. Man sei aber gerne bereit, unser Angebot im nächsten Jahr wieder aufzunehmen, wenn wir uns rechtzeitig melden würden.“
Als ich Herrn Gernefern mit diesem Ergebnis konfrontierte und vorschlug, sich im Rahmen des Vorstandes zusammen zu setzen, kam lediglich die Gegenantwort: „Die Gemeinde hat sich nicht bei mir gemeldet und nachgefragt, ob wir etwas anbieten.“
Ach so ist das: Die Gemeinde unterliegt der Gnade des absolutistischen Vorsitzenden, die dortigen Organisatoren sind also verantwortlich dafür, wenn dem Verein der Nachwuchs fehlt! Mein Gott, wie konnte ich das nur vergessen?
Doch damit nicht genug, aus Trotz über die Konfrontation mit diesen Tatsachen erklärte Herr Gernefern, auf der nächsten Jahreshauptversammlung nicht mehr als Vorsitzender antreten zu wollen.
Trotz der schlechten Vorbereitungen entwarf ich für die verbleibende Veranstaltung ein Anmeldeformular für jedes Kind mit einer Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten, dass ein Mitglied des Vereins bei Interesse des Kindes weiteren Kontakt halten dürfte.
Als der Veranstaltungstag näher rückte, zeigte der Vereinsvorsitzende in beeindruckender Weise seine Unantastbarkeit: Auf meinen Vorschlag, eine Vorbesprechung durchzuführen, erfolgte keine Reaktion (Warum auch? Denn es gab ja den besten Garanten: bislang war auch immer alles gut gegangen!). Stattdessen sagte Herr Gernefern seine Teilnahme für die Ferienpassaktion ab, weil er privat verhindert sei, ebenso entschuldigte sich Herr Meistensda. Folglich hätte es an mir als Schriftführer gelegen, den Verein zu repräsentieren. Damit hätte ich zwar kein Problem gehabt, mich verwunderte nur, dass kurzfristige private Gründe vom Vorstand wichtiger angesehen wurden als die Zukunft des Vereins, die er ja noch wenige Monate zuvor so bejammert hatte. Glücklicherweise entschloss sich Herr Meistensda dann doch noch, als Vereinsrepräsentant an der Ferienpassaktion teilzunehmen.
Als der Veranstaltungstag kam, trudelten immer mehr Kinder ein, der Anmeldestrom endete erst mit dem 16. Kind. Damit hatte keiner von uns gerechnet. Normalerweise wäre eine solche Resonanz Grund zur Freude gewesen, nur rührte die hohe Teilnehmerzahl daher, dass Herr Gernefern das Mindestalter von 10 Jahren bei der Ausschreibung nicht angegeben hatte und sich deshalb auch deutlich jüngere Kinder angesprochen fühlten. Da sich an diesem Tag noch ein Fliegerkollege eines befreundeten Vereins als Fluglehrer zur Verfügung stellte, standen drei Schulungsflugzeuge zur Verfügung. Nachdem ich meinen Middle Stick durch einen kurzen Moment der Unachtsamkeit geschrotet hatte, waren es dann nur noch zwei. So mutierte unser Flugplatz zu einem heillosen Kinderspielplatz, denn während zwei Kinder sich im Fliegen versuchten, versuchten 14 andere, sich irgendwie zu beschäftigen.
Nach dem Ende der Veranstaltung und der Befragung der Piloten kristallisierten sich sechs hoffnungsfrohe Talente heraus, zu denen weiter Kontakt gehalten werden sollte. Weil sich auch in der Folgezeit seitens des Vorstandes niemand für die Nachfassaktion ernsthaft interessierte, verlief diese Aktion wie so viele andere im Sande.
In meiner Tätigkeit als Schriftführer stand ich ebenfalls allein auf weiter Flur, es gab keine Übergabe irgendwelcher Dokumente, mein Versuch, die gut dreißig Jahre alte Satzung auf einen aktuellen Stand zu bringen, denn immerhin hatte sich in dieser Zeit ja doch das eine oder andere auch für uns Modellflieger verändert, brachten mir nur die Titel eines „Kleinkrämers“ und „Paragraphenreiters“ ein. Als ich mir dann noch von Herrn Meistensda vorwerfen lassen musste, ich hätte mich nicht ausreichend um die Pflege des Rasens auf unserem Platz bemüht, war ich endgültig davon überzeugt, mich doch lieber anderweitig meinem Hobby zu widmen.
Inzwischen bin ich aus dieser MFG (Modellfliegergemeinschaft für Gescheiterte) ausgetreten, mehr als zwei Jahre Mitgliedschaft hielten meine Nerven nicht mehr aus. Die getrübte Freude an unserem schönen Hobby währte nur kurz, denn ich fand eine neue Heimat in einem benachbarten Verein.

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